Ein feiner Sprühregen weht durch Baabe und ich bin froh, dass Roberto Brandt, Fischer in Baabe und ich uns in seinem Restaurant „Zum Fischer“ treffen, wo es warm und gemütlich ist – und so herrlich nach Räucherfisch duftet, dass ich mir vornehme, unbedingt welchen mit nach Hause zu nehmen.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen.
Wir haben nicht viel Heringsquote, normalerweise wären wir ja sonst in der Fischerei.
Ihre Familie macht das seit rund 200 Jahren.
Ja, damals hat in Vorpommern die Leibeigenschaft aufgehört, Fischereirechte wurden verteilt – oft wurde ja beides gemacht – Landwirtschaft und Fischerei. Die, die keine Landwirtschaft betrieben haben, mussten in der fangarmen Zeit dann auch woanders arbeiten gehen. In unsere Familie war es die Seite meiner Mutter. Die hat damals nach dem Krieg sogar den Fischereigehilfenschein gemacht.
Bei einer so langen Geschichte gibt es doch sicher eine Anekdote, die man sich in Ihrer Familie bis heute erzählt?
In Baabe hatten die alten Fischer eine bestimmte Stelle, wo sie ihre Boote hochziehen konnten. Die Gemeinde Baabe wollte an dieser Stelle eine Badeanstalt bauen, das war so 1911 rum. Da waren schon ein paar Pfähle gerammt worden. Eines Nachts sind die Fischer hin und haben die Pfähle einfach abgesägt. Dadurch haben sie dann einen neuen Liegeplatz erhalten, an der Stelle, wo auch heute noch die Holzschuppen stehen, um die Netze zu trocknen und zu lagern.
Wie kamen Sie zur Fischerei? In welchem Alter sind Sie damit in Berührung gekommen?
Wie alt werde ich gewesen sein? So 12 Jahre vielleicht, da hatte ich ein paar Langleinen im Selliner See gesetzt, was eigentlich verboten ist. Mit der Fischereiaufsicht hatte ich wohl damals immer ein bisschen Glück gehabt. Und die alten Fischer haben damals gesagt, lass den mal machen, der wird ja sowieso mal Fischer. Heutzutage wäre das ja `ne Straftat. (lacht)
Und als ich so 14 Jahre alt war, da hat mich mein Onkel Hubert Junker gefragt, ob ich in der Ferienzeit aushelfen könnte. Man hatte da ja noch nicht so die Technik mit Winden, alles wurde noch per Hand gemacht, mit Brettern und Rollen. Das war eigentlich der entscheidende Moment, in dem ich wusste, hier in Baabe wirst du Fischer. Das war so 1970 rum.
Eine Lehrstelle zu finden war zu der Zeit nicht so einfach, weil es ja noch viele Fischer gab, darunter auch junge Leute. Deshalb bin ich dann zur Hochseefischerei nach Rostock gekommen. Aus heutiger Sicht war das ein richtiger Glücksgriff, weil ich so auch ein bisschen was von der Welt gesehen habe. Ich weiß noch, wie wir bei der ersten Reise in Halifax (Nova Scotia, Kanada, Anm. d. Red.) waren. Der Motor war kaputt und wir saßen drei Wochen fest. Das war eine schöne Zeit. Geld hatten wir natürlich nicht, aber ich habe mir viel angesehen. Nach der Lehre bin ich dann 1976 hierher als Fischer.
Haben Sie irgendwann mal darüber nachgedacht, einen anderen Weg einzuschlagen?
Nö.
Das Leben eines Fischers stellt man sich ja oftmals als ein wenig romantisch vor, was ist
dran?
Als Jugendlicher, als ich mit meinem Onkel Hubert Junker rausgefahren bin und es noch nicht ums Geldverdienen ging, da war das schon sehr romantisch. Ich fand das immer toll, wie groß das Interesse der Urlauber war, wenn wir am Strand gearbeitet haben. Das hat einfach Spaß gemacht. Inzwischen bin ich ja nicht mehr der Jüngste, da ist es weniger romantisch, bei eisigem Wind Heringe auszupuhlen. (lacht)
Wenn Sie das Leben Ihrer Vorfahren heute mit dem Ihrigen vergleichen – was hat sich aus Ihrer Sicht am meisten verändert?
Wir haben ja keinen großen Hafen, keine großen Boote, vom Fischfang alleine kann man heute nicht mehr existieren. Deswegen haben alle irgendwie ihren Weg gesucht. Bei uns ist es unser Laden (Restaurant Zum Fischer, Anm. d. Red.) Das war früher unsere Garage, 1992 kam das Auto raus, wir haben renoviert und anfangs erstmal nur Räucherfisch verkauft. Seit 1995 ist es das Restaurant Zum Fischer.
Hand aufs Herz – wie oft essen Sie Fisch?
Oft!
Ihre Lieblingsfischgerichte?
Wenn die Heringssaison losgeht, dann gibts sauren Brathering, Pfefferhering oder Bismarckhering, frisch gebraten esse ich auch mal, ist aber nicht so mein Ding. Wenn die Hornfischsaison losgeht, gibt es den bei uns auch in allen Variationen. Meine Favoriten von dem, was hier gefangen wird, sind Steinbutt und Meerforelle.
Ich liebe auch Aalsuppe und Hecht gekocht mit Petersiliensauce – aber mit der glatten Peterslie, die auch gut würzt! Das sind natürlich alte Gerichte von hier. Für die heutige Zeit muss man die aber ein bisschen abändern. Es sind doch Wenige, die sich für die alten Rezepte begeistern können. Das ist auch so mit dem Salzhering, den wir noch genauso machen wie früher. Erst gesalzen und dann gewässert, in Stücke geschnitten und sauer eingelegt, schmeckt der einwandfrei.
Was sind die Momente, die Sie in Ihrem Berufsalltag mit Freude erfüllen?
Ich freue mich immer, wenn ich dazu komme, mit aufs Wasser zu fahren. Meist morgens, Netze ranholen. Nachmittags machen meine Jungs das meistens alleine. Schön ist es natürlich im Frühjahr, wenn man vom Wasser aus sieht, wie alles anfängt, grün zu werden. Aber auch im Winter kann es schön sein, wenn die Steilufer mit Schnee bedeckt sind.
Wo sehen Sie zukünftig Schwierigkeiten?
Es ist heute schwer, den Nachwuchs für den Beruf des Fischers zu begeistern. Über die Jahre habe ich sieben Lehrlinge ausgebildet, von denen sind aber leider nur zwei in der Fischerei geblieben.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass die Fischerei nicht ganz stirbt.
Vom 27. April bis zum 5. Mai finden die Rügener Fisch(er)tage statt. Zum Programm und allen teilnehmenden Restaurants, zu denen auch das „Zum Fischer“ gehört, gelangen Sie hier.
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