Sportfreunde Rügen – Rennradfahrerin Antonia


Ich bin Antonia Hauser, Jahrgang 1990, stamme aus Bayern und wohne in Bergen auf Rügen. Die Insel habe ich als Fahrradinsel lieben gelernt. Mein Rennrad ist mir immer ganz nah. Wenn ich mal nicht damit unterwegs bin, hängt es in... mehr

„Ja, mir san mit’m Radl da.“

Wenn Antonia Hauser wissen will, wie spät es ist, dann wirft sie einen flüchtigen Blick auf den Zahnkranz, aus dem ihr Radkumpel eine Uhr gebastelt hat. Mittagspause! Die Uhren ticken bei ihr eben anders, nicht Tick-Tack, sondern Rad-Rad. Die Zahnkranz-Uhr war Antonias Idee, denn bei ihr dreht sich alles um das Rennradfahren, ohne das ihr Leben zwar möglich aber nicht unbedingt sinnvoll wäre.
Aus dem Herzen Bayerns heraus entdeckte sie 2012 eher durch Zufall Deutschlands größte Insel, kehrte aber nach Bavaria zurück, um ein Jahr später nun doch die Entscheidung zu fällen, für maximal drei Jahre in den Norden zu gehen. Trotz aller sprachlichen, geografischen, mentalen, kulturellen und finanztechnischen Differenzen ist sie geblieben. Länger als geplant.
„So kam ich zu Rügen wie ´ne Jungfrau zum Kind“, sagt die gebürtige Münchnerin und lacht. „Das lag wohl am Fahrrad, an der Insel und den Nordlichtern. Eigentlich radle ich lieber allein, aber inzwischen fahren die Rügener Radkumpel auch gern mit mir, weil dann viel mehr Spaß unterwegs ist.“ Die Nordlichter sind so etwas wie ein Familienersatz. Das Motto: „Wir fahren für den Norden“. Sportfreundin Antonia aus München macht mit.
„Wollt ihr mal meine selbstgemachten Energieriegel probieren?“, fragt sie, schiebt uns relativ unscheinbare Gebäckstücke zu und verrät, woraus sie bestehen: „Kichererbsen, Haferflocken, Cashew-Mus, Salz, Wasser, Trockenobst, Mehl, Haselnüsse – alles kurz in den Mixer, dann 20 Minuten in den Backofen. Fertig!“
Antonia schreibt gern und hat einen ganz speziellen Humor, wie die Inselexperten beim Lesen ihres „Protokolls über das letzte Rennen“. Hier eine kleine Kostprobe aus dem Protokoll von dem Rennen, das definitiv nicht ihr letztes Rennen war:

„Nach dem Frühstück folgte der erste heroische Moment des Tages: die Ankleidung. Einem Ritter bzw. Gladiator gleich zelebrierte ich meine Ankleidung wie vor jedem Rennen: bei den Socken beginnend, beim Aufsetzen des Helmes endend – von unten nach oben. Wie immer hörte ich Heart of Courage von Two Steps From Hell, um mich auf das Rennen einzustimmen. Wie immer fehlte mein persönlicher Sklave oder Schildknappe, um mir bei dieser wichtigen Zeremonie zu assistieren.
Die Abschaffung der Leibeigenschaft hat nicht nur positive Seiten. Wie immer versuchte ich meine liebe Familie zu erreichen, um ihnen für den Fall der Fälle mitzuteilen, wo mein Testament hinterlegt ist.
Dann erst kam der prüfende Blick in den Spiegel. Ich erstarrte.
An dieser Stelle muss ich ein paar Worte zum Thema Teambekleidung einfügen. Grundsätzlich bin ich kein Fan von Teamkleidung. Die Farben sind ein Kapitel für sich. Dann diese unmöglichen Werbeaufdrucke, auf die manche noch stolz sind. Als wäre das nicht schon schlimm genug, betont Teamkleidung konsequent körperliche Problemzonen, Männer davon nicht ausgenommen, anstatt sie zu kaschieren. Auch was unsere Teamkleidung anging, blieb ich skeptisch. Sie ist grau-weiß mit Feuerprint um die Bündchen an Oberschenkel und Hüfte. Unser Schlachtruf: Wir brennen für den Norden. Gut, mein Herz und meine Flamme schlagen eher gen Süden, aber das müssen meine Teamkollegen ja nicht unbedingt wissen. Jedenfalls bestellte ich nur ein Trikot und eine Hose – ökonomisch betrachtet nicht clever, da Teambekleidung dank Sponsoren, deren Logos ich im Gegenzug über die Insel fahre, vergleichsweise günstig ist. Ich holte das Trikot erst nach Wochen ab und lagerte es ganz hinten im Schrank. Jörn erklärte ich, dass Trägerhosen für mich als Frau im Allgemeinen und als Langstrecken-Halbprofi im Besonderen äußerst unpraktisch seien und ich deshalb nicht in der Teamkleidung fahren könne. Dieses Argument ließ er für das heutige Rennen über 54 Kilometer nicht gelten. Deshalb zog ich den Blick in meinen Spiegel auch möglichst lange hinaus. Aber was war das? Jennifer Lawrence blickte mir entgegen. Wirklich. Sie war es. Ich war es. JENNIFER LAWRENCE alias Katniss Everdeen aus Die Tribute von Panem. Ich drehte mich um meine eigene Achse. Ich drehte mich noch mal und tatsächlich: wie bei ihr ging mein Kleid in Flammen auf. Ich war begeistert. Ich. War. Sie. Jennifer Lawrence und wie sie war ich bereit für den Sieg. Und wie sie konnte ich auf die Unterstützung eines Freundes hoffen…

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