Peter Wawerzinek: „Bin ein Schreiberling“


Holger Vonberg ist gebürtiger und bekennender Rüganer. Sein Berufswunsch als Zweijähriger: „Urlauber Baabe“. Das hat nicht ganz geklappt. Ab 1991 war er als Journalist u. a. für den NDR, die OZ und den „Urlaubs-Lotsen“ auf der Insel unterwegs. Bis März... mehr

Bin ein Schreiberling“ – So heißt das neue Buch von Peter Wawerzinek, erschienen im Transit-Buchverlag. Ich hatte beim Lesen die ganze Zeit ein Lied von Udo Lindenberg im Ohr: „Wo ich meinen Hut hinhäng, da ist mein Zuhause.“ So sieht sich auch der Schriftsteller und Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek. Er bezeichnet sich als „Schreiberling“, der sich – anders als ein Schriftsteller – auf Montage begebe, seinen Laptop in die Werkzeugtasche packe und seine Arbeit andernorts wieder beginne. Peter Wawerzinek, Einzelgänger, Menschenversteher, Querdenker, Wortkünstler. Er – ein Schreiberling? Hat das nicht etwas Abwertendes? Der Duden spricht in diesem Zusammenhang von einem „schlecht schreibenden Autor“. Und das ist er auf keinen Fall. Das weiß er. Und damit spielt er auch.

„Bin ein Schreiberling“

Peter Wawerzinek beleuchtet in diesem Buch sein bewegtes Schriftstellerleben und nicht selten mit Spot(t)light die deutsche Literaturlandschaft oder die Befindlichkeiten von Menschen in Orten, an denen er als See-, Orts- oder Stadtschreiber Momentaufnahmen einfing.

Begonnen habe alles mit dem Verfassen von Liebesbriefen für seine Freunde. „Die Raubeine, für die ich schrieb, hatten poetisch nichts in ihren Birnen“, rechnet er heute mit scharfer Zunge ab. Damals war Peter noch ein Kind, ein herumgestoßenes Kind, das aus eher buchlosen Heimen doch zum Lesen und später zum Schreiben fand.

Welch ein Glück, dass er diesen Deutschlehrer hatte.

Wer jemals Peter Wawerzinek in einer seiner legendären Lesungen erlebt hat, weiß in etwa, wie dieser Deutschlehrer gewesen sein muss, der den Schülern Sachen vorlas, „die nicht im Lehrplan standen… Er gebar die Worte, presste sie aus seinem Brustkorb hervor, nachdem er zuvor mit ihnen schwanger ging. Der Klassenraum wurde zum Kreißsaal… In seinen Stunden entstand in mir eine Art Seelenverwandtschaft zwischen ihm und mir.“

Peter Wawerzinek und die Insel Rügen

Mit seinem autobiografischen Roman „Rabenliebe“ gelang ihm im Jahre 2010 der lang ersehnte, hart und poesievoll erschriebene und ehrlich verdiente Durchbruch als Schriftsteller. In Lohme auf Rügen hatte er als „Dorfschreiber“ letzte Hand angelegt an diesen Roman. Das Schicksal von drei Jungen aus dem Kinderheim habe ihn tief bewegt und an seine eigene Kindheit erinnert, schreibt Peter Wawerzinek. Die Jungs waren am 13. Februar 1956 auf dem Schwanenstein vom Eis der Ostsee eingeschlossen worden und konnten trotz einer groß angelegten Rettungsaktion erst am nächsten Morgen tot als eine eisige Skulptur geborgen werden. Ihnen widmete Peter Wawerzinek den Bewerbungsfilm für Klagenfurt, ihnen widmete er dort auch die Lesung zu den Bachmann-Tagen.

„Bin ein Schreiberling“ ist ein großartiges Episodenbuch. Diese lebendig-bunte Bilderfolge in Worten macht Lust, seine anderen Werke zu entdecken, mehr zu erfahren über seine Kindheit, von seinem wüsten Leben im Berlin der untergehenden DDR, von seiner Auseinandersetzung mit dem „Literaturbetrieb“ und den Schriftstellern.

P.S:

Lieber Peter, ich habe mich gern auf dieses Buch eingelassen und bewundere Dich dafür, wie Du die Achterbahn der Gefühle, mit der Du durch das Leben fährst, in Worte fassen kannst: erfrischend, zynisch, ein wenig eitel, selbstironisch, frech, leicht und lustig, kritisch, schonungslos. Danke, Dein Leserling.

 

Das Buch „Bin ein Schreiberling“  von Peter Wawerzinek ist im Transit-Verlag erschienen, hat 144 Seiten und kostet 18 Euro.

ISBN 978 3 88747 341 9

Weitere Informationen

Der Autor:

Peter Wawerzinek, Jahrgang 1954, lebte in Kinderheimen und bei Pflegeeltern und wuchs an verschiedenen Orten Mecklenburgs auf. 1976 zog er nach Berlin, studierte an der Kunsthochschule Weißensee und lebt als Freier Autor, Parodist, Geschichtenerzähler. 1994 erschien im Transit Buchverlag „Das Kind, das ich war“, sechs Jahre später „Das Meer an sich ist weniger“. Für seinen Roman „Rabenliebe“ wurde er 2010 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis geehrt.


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