„ Bleiben wir seine Spurenleser und Spurenbetrachter “ Kulturpreis Rügen 2016 postum für den Naturfotografen Rico Nestmann


Holger Vonberg ist gebürtiger und bekennender Rüganer. Sein Berufswunsch als Zweijähriger: „Urlauber Baabe“. Das hat nicht ganz geklappt. Ab 1991 war er als Journalist u. a. für den NDR, die OZ und den „Urlaubs-Lotsen“ auf der Insel unterwegs. Bis März... mehr

Einmal im Jahr vergibt die Kulturstiftung Rügen einen Kultur- und einen Förderpreis. Damit werden besondere Leistungen von lokalen Kunstschaffenden oder bedeutende Kulturprojekte gewürdigt.

Der Kulturpreis geht in diesem Jahr postum an den Fotografen, Journalisten, Autor und Verleger Rico Nestmann.

Im Februar 2016 war der 46-Jährige auf tragische Weise ums Leben gekommen. Seine Kinderbücher, Kalender, Bildbände über Kraniche, Seeadler und Vögel der Ostsee werden bleiben. Bleiben werden auch ganz viele gute Erinnerungen an einen sehr naturverbundenen, zielstrebigen, überaus geschätzten langjährigen Kollegen und Freund.
Wenn ich die Kraniche sehe, auch die stolzen Seeadler oder die kleinen Seeschwalben, dann erinnere ich mich immer wieder an viele Begegnungen mit Rico, an Gespräche, auch an Interviews, die ich mit ihm geführt habe.

Ein kleiner Rückblick:

Im September 2007 erschien sein Bildband „Kranichrastplatz Ostsee“ und meine Reportage:
Es ist wieder soweit. Die Kraniche ziehen. Mit ihren markanten Rufen landen sie an den Futter- und Schlafplätzen an der vorpommerschen Küste. Alle Jahre wieder ein beeindruckendes Naturschauspiel. Das Schließen der Autotür war wohl der letzte laute Ton an diesem Nachmittag. Vor uns steht die Ausrüstung. Und – liegt eine lange Nacht. Rico Nestmann hat alles perfekt vorbereitet, den Zug der Kraniche schon Tage vorher beobachtet.
Jetzt weiß er, wo er die besten Bilder am Schlafplatz der Vögel des Glücks einfangen kann.Doch bis es soweit ist, spielt er den Pack-Esel.
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Etwa zwei Kilometer müssen wir zu Fuß durch die Wildnis, um den Schilfgürtel zu erreichen. Halbzeit. Verschnaufpause. Die Ausrüstung wird abgelegt im Gras. Seit seiner Kindheit beschäftigt sich Rico Nestmann mit der Tier- und Pflanzenwelt. Er hat Vögel beringt und irgendwann angefangen, Seeadler und Kraniche zu fotografieren. Seine Bildbände und Kalender sind längst bundesweit bekannt.

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Im Jahr 2009 haben wir dann über sein neues Buch „Wilde Kinder – Seeadler“ gesprochen, dort, wo sich Rico ein „Nest“ gebaut hatte, an seinem Fotoversteck in einer über 100 Jahre alten Kiefer – im Westen Rügens, nur eine Steinwurfweite vom Seeadlerhorst entfernt.

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„Ich hatte das Gefühl, dass sie mit ihren scharfen Augen durch meine Zeltwände und durch mich hindurchblickten“, sagte er. „Später änderte sich dieses Empfinden. Nun habe ich das Gefühl, dass mich die Seeadler anschauen, so, als ob sie mich in ihre Mitte aufgenommen haben.“
Sieben Jahre später verunglückte Rico Nestmann an diesem Ort, als er sein Fotoversteck reparieren wollte. . .
In einer bewegenden Trauerrede würdigte der Rügener Künstler Walter G. Goes im Februar 2016 Rico Nestmann mit diesen Worten:
„Bleibt ALLE offen für diese ERINNERUNGSWELTEN, sucht nach den wichtigen Bausteinen, die die Lebenswege von Rico 46 Jahre lang ausmachten, ergänzt sie, komplettiert sie.
Behalten wir Ricos gelebtes, von uns erlebtes SO-SEIN in unserem Erinnerungsfundus; hüten wir die Ergebnisse seiner immensen Arbeit als Schatz, der immer wieder neu gehoben werden kann.“
Ein kleines Gedichtfragment, das ich in Ricos Text »Wintertag am Meer« fand, möge unseren Abschied von Rico am Meer begleiten:
»Wer am Meer alleine geht,
fühlt vom Wind sich sanft umweht.
Lässt am Strand mit etwas Glück
Eine Spur im Sand zurück.«
Bleiben wir seine Spurenleser und Spurenbetrachter!“
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Der Demmler-Verlag stellt Rico Nestmanns letzten Bildband während der 15. Ahrenshooper Literaturtage vor.

Das Buch ist in diesem Jahr erschienen und trägt den Titel „Kraniche. Graue Tänzer am Bodden und Meer.“
Die größte Buchmesse Mecklenburg-Vorpommerns findet vom 1. bis 3. Oktober in der Ahrenshooper Strandhalle statt.
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Den Förderpreis 2016 verleiht die Kulturstiftung Rügen der Fotografin Iwona Knorr.

In ihrem einzigartigen und künstlerisch wertvollen wie auch emotionalen Bildband „Zu Fischen geboren“hat sie eindrucksvoll Menschen porträtiert, die Vertreter eines traditionsreichen und vom Aussterben bedrohten Berufes sind – die Küstenfischer.
Die Preisverleihung findet am 2. Oktober 2016 um 11 Uhr in der Orangerie zu Putbus statt.
Am 1. Oktober wird um 15.30 Uhr in der Orangerie die Ausstellung „Meer und Mehr“ mit Arbeiten von Angelika John (Wismar), Dagmar Haucke-Liebscher (Bad Doberan) und Luise Hartmann (Rostock) eröffnet. In ihren Werken geht es um die Farbigkeit, die Weite und die Unberechenbarkeit des Meeres –und um die vielgestaltige Küste.
„In Collagen, Objekten aus Ton und Glas sowie Malereien haben diese Eindrücke ihren unterschiedlichsten Ausdruck gefunden“, heißt es in der Einladung.

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