Erlebnisbericht vom 28.05.2016
Meine letzte Nachtwanderung war im vorigen Jahrtausend, als wir johlend und grölend mit Taschenlampen über Baumwurzeln durch den Wald stolperten und die Jungs hinter den Bäumen vorsprangen, um uns zu erschrecken. „Von den blauen Bergen kommen wir, unsre Lehrer sind genauso dumm wie wir…“ und andere Gassenhauer begleiteten damals unseren Weg durch die Dunkelheit. Danach war ich nie wieder nachts im Wald.
Aber heute will ich es noch einmal probieren:
Die Tour startet. Unser sachkundiger Begleiter arbeitet in der Umweltbildung und leuchtet uns den Weg zum Eingang des Pfades mit einer Taschenlampe. Er entdeckt eine dicke Kröte, die unseren Weg kreuzt. Sie ist unterwegs zu den Feuchtgebieten am versteckten Postbach und am großen Jasmunder Bodden, erfahre ich von ihm. Er erzählt mir auch von einer Eule und den Fledermäusen, die hier wohnen und manchmal nachts zu sehen sind. Wir umgehen die Kröte respektvoll und ziehen weiter.
Der Aufstieg auf den Baumwipfelpfad beginnt mit dem Einstiegsturm, durch den man in Schleifen mit 6% Grad Neigung auf den eigentlichen Pfad gelangt. Bequem wendelt sich unser Weg in die Dunkelheit – diesmal also ganz ohne Baumwurzeln. Die dunklen Schemen der Baumwipfel zeichnen sich gegen den mittsommerlichen Nachthimmel ab. Man hört kein Vogelgezwitzer, die Nacht hat andere Geräusche im Wald. Ich stelle mir vor, wie die Vögel jetzt in ihren Nestern schlafen und nehme das Rauschen der Blätter in der lauen Sommerbrise wahr. In dem Ausflugsziel der Kröte von vorhin hat die Hochzeitssaison begonnen. Von den blauen Bergen singt jetzt niemand, aber das gleichmäßige, sonore Quaken von tausenden Kröten und Fröschen begleitet unseren Weg.
Der Weg führt weiter durch die Dunkelheit, nur ein paar Bäume sind angestrahlt und wie eine kleine Überraschung liegen erleuchtete Sterne weiter hinten im Wald verteilt.
Wir erreichen den großen Turm, der zum Adlerhorst hinauf führt.
Seenebel ist über die Insel gekrochen und verschluckt die Lichter an der Küste. Sassnitz und Binz sind nicht mehr zu sehen und ebenso wenig die Lichter von Bergen. Auch die rhytmischen Bässe des Musikfestivals in Prora – alles vom Nebel verschluckt. Dafür singen die Frösche.
Ich genieße die Nachtluft und die verwunschene Stimmung, aber so langsam wird es frisch hier oben auf dem Dach der Insel. Beim Heruntergehen strecke ich meine Hand aus und lasse die grünen und roten Irrwichte darauf tanzen. Sie kommen mir vor wie lebende Glühwürmchen und fast habe ich das Gefühl sie kitzeln mich. Dennoch, sie lassen sich nicht von mir einfangen, nicht mal mit der Kamera. Was ich aber dafür einfangen konnte ist eine zauberhafte Stimmung, und die darf man sogar behalten und mit nach Hause nehmen.
Diese und weitere interessante Veranstaltungen im Naturerbe Zentrum finden Sie hier: www.nezr.de
7 Kommentare
30. Mai 2016 | 10:58
Gerade eben, nach einer etwas längeren Zeit mal wieder, schau ich in die Bloggs von „Wir sind Insel“ rein. Und was lese ich da…? Einen bezaubernden Artikel, der die zauberhaft-stimmungsvolle Atmosphäre des Baumwipfel-Lichterpfades wunderbar einfängt. Und…, neugierig macht. Neugierig auf den Baumwipfelpfad, auf die Wälder Rügens, bei Nacht und bei Tag. Ganz bestimmt werde ich beim nächsten Besuch Rügens, Anfang Oktober wirds endlich wieder soweit sein, den Pfad erklimmen und mich von den NaturSchönheiten der Insel inspirieren lassen…
1. Juni 2016 | 08:51
Lieber MiLan, Dankeschön für Deine Nachricht, ich hoffe du hast eine tolle Zeit bei uns hier im Oktober. Eine Wanderung im Herbstlaub lohnt sich immer. Bleib weiterhin neugierig!
31. Mai 2016 | 11:40
Hast deine Leser schön mitgenommen durch den nächtlichen Wald. Als ich jung war, bin ich manchmal nachts mit Hängematte im Wald gewesen. Wenn ein Käfer gegen die Borke rumpelte, klang das so laut wie ein Autounfall im Nachbardorf, und wenn Mäuse unter mir durchwetzten, musste ich gucken, ob’s nicht doch ein Wildschwein war!
1. Juni 2016 | 08:52
Vielen Dank Harald! Du hast Recht, nachts im Wald nimmt man die Geräusche viel intensiver wahr, man ist viel achtsamer – auf jeden Fall lohnt sich so ein Erlebnis. Hängematte finde ich auch gut 😉 das habe ich aber noch nicht gemacht.
2. Juni 2016 | 00:55
Nach dem lesen des Berichtes ,bekommt man selber Lust den Bäumen aufs Dach zusteigen . Bleib an solch Aktionen dran . Und bericht weiter .
2. Juni 2016 | 09:29
Danke Bernd! Es ist schön, wenn ich quasi als „Erlebnis-Vorkoster“ andere inspirieren kann, und wünsche viel Spaß beim Nachmachen!
5. Juni 2016 | 14:41
Liebe Natalie
Du hast uns auf eine wundervolle Reise durch den nächtlichen Wald mitgenommen und lässt uns, deine Leser, den Zauber intensiv spüren. Ich höre die Stimmen des Nachtwalds, rieche den Wald und spüre das Kribbeln der kühlen Nachtluft. Wundervoll. Bitte lass uns noch an vielen ähnlichen Erlebnissen teilhaben.