Lüttenweihnachten: Heiligabend mitten im Wald


er-lebt die Insel durch Kinderaugen

Gibt es eigentlich so etwas wie einen Geist der Weihnacht? Dieser Frage gehen wir fast schon traditionell seit vielen Jahren nach. Die Antwort darauf finden wir jenseits von amerikanischen Weihnachtsfilmen ganz versteckt irgendwo mitten im Wald bei uns.

Meine Begleiter seit all den Jahren: Nummer 1 und Nummer 2 seitdem sie noch ganz klein waren

im Rucksack: aufgefädelte Äpfel und Karotten, eine Thermoskanne mit heißem, gewürztem Apfelsaft und Tassen.

Obwohl der 24. Dezember einer der kürzesten Tage im Jahr ist, dauert es erstaunlicherweise gerade an diesem Tag immer entsetzlich lange, bis es endlich Abend wird.
Schon oft mussten wir die Bescherung aus Gründen der familiären Sozialverträglichkeit schon bereits um 16 Uhr, also hart nach Sonnenuntergang, durchführen, und selbst bis dahin erschien für Nummer 1 und Nummer 2 die Zeit zwischen Vorbereitungen und Weihnachtsfilmen nicht vergehen zu wollen. Ein guter Grund, sich auf alte Weisheiten zu besinnen:

Die Tradition eine Lüttenweihnachten (up Platt: kleine Weihnachten) zu feiern, ist schon alt und wurde von Hans Fallada in seinem gleichnamigen Buch beschrieben.

Wenn man zum Beispiel in der Adventszeit durch die Landnehrung Schaabe auf Rügen fährt, sieht man viele weihnachtlich geschmückte Kiefern entlang der Straße (allerdings meistens mit nicht essbaren Dekorationen). Viele Rüganer holen mit dieser Geste das Weihnachtsfest aus der heimischen Stube ins Freie, um die Vorfreude mit Nachbarn, Gästen und den Waldbewohnern zu teilen.

Wir haben für uns seit vielen Jahren eine eigene Tradition für Lüttenweihnachten: Egal, wie das Wetter ist, am 24.12. steht bei uns eine Wanderung an. Wir haben eine Stelle tief im Wald gefunden, an der kleine Tannen wachsen. Ganz in der Nähe steht eine Futterkrippe, wo der Förster in strengen Wintern die Waldtiere zufüttert. Das passt nicht nur wunderbar ins Weihnachtsthema, sondern ist auch ein Futterplatz, den die Tiere gewohnt sind.

Wir trinken heißen Apfelsaft und schmücken unsere kleine Fichte mit den Äpfeln und Karotten.
Man kann natürlich auch Kartoffeln, Nüsse oder Hagebutten dazu hängen, aber wir halten es meistens einfach. In einem Jahr hatten wir einmal unter anderem lang gelockte Kartoffelschalen als Lametta an den Baum gehängt. „Sieht aber aus, als ob man eine Biotonne über dem Baum ausgekippt hat“, meinte Nummer 1, als wir fertig waren. Seitdem nehmen wir einfach nur Äpfel und Karotten. Das sind auch übrigens die beliebtesten Schmankerl der Waldbewohner. Je nach Witterung dauert es nämlich einige Wochen, bis der Weihnachtsbaum leergenascht ist. Ich gebe zu, dass ich öfters in den darauffolgenden Wochen hingeschlichen bin um zu gucken, wie unsere Geschenke so angenommen wurden. Nach großer Kälte ist dann meistens alles weg, und ich kann die Bindfäden, mit denen wir die Snacks an unseren tierischen Weihnachtsbaum gehängt haben, wieder einsammeln.

Die kleine Tanne mitten im Wald steht in einer ganz geheimnisvollen Ecke. Ab uns zu entdeckt man auf dem Waldboden ein Stück aufgewühlte Erde oder einen kaum zu erkennenden Pfad durch den Unterwuchs. Die Tiere selbst sieht man nur selten, aber wir wissen ja aufgrund ihrer Fährten, dass sie da sind. Ob sie uns vielleicht schon beobachten?

„Ich stelle mir vor, wie ein Wildschwein neugierig an dieser Karotte schnuffelt“,
hatte Nummer 2 einmal beim Baumschmücken geflüstert. „Und dann zerkaut es die so schmatzend“, meinte Nummer 1.

Unser Weihnachtsbaum mitten im Wald ist zugegebenermaßen schief und ungleichmäßig gewachsen. Er ist auch optisch weit von einer Nordmanntanne entfernt und wird bestimmt keinen Dekopreis für weihnachtliches Ambiente gewinnen. Aber es sind diese geheimnisvolle Stimmung beim Anhängen der Sachen, der Waldgeruch, die leisen Geräusche und die Vorstellung von schnuffelnden Wildschweinen, hungrigen Rehen und anderen Tieren, die gerade diesen Baum so schön für uns machen. Das ist unser typisches „Lüttenweihnachten“ auf Rügen.

Auf dem Rückweg von unserer Winterwanderung sitzt in meinen Rucksack ein großer, leichter und warmer Geist der Weihnacht. Er hat einen kräftigen Appetit aufs Abendessen und eine große Portion Vorfreude auf die Bescherung mitgebracht. Diese drei Gaben nehmen wir gern mit nach Hause.

Fröhliche Weihnachten!


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