Jaromar selbst hatte bis zum Lebensende die Entwicklung des Klosters unterstützt und selbst hier 1217/18 oder 1221 in der Kirche seine letzte Ruhestätte gefunden. So hatte Jaromar I. mit seiner Politik und der Gründung des Nonnenklosters die Grundlage für eine Entwicklung des späteren Bergens gelegt. Kehren wir nun zum eigentlichen Kerngebiet dem „forum principale“ zurück. Mit dem Baubeginn der Kirche siedelte sich eine Bauhütte vor Ort an.
Sie wird zuerst aus dänischen Bauleuten bestanden haben, denn nur diese beherrschten das Brennen des Backsteines im sogenannten Klosterformat
und den Bau einer Backsteinkirche mit den symbolischen Botschaften. Die Einheimischen werden Handlangerarbeiten ausgeführt haben und erst nach und nach zu qualifizierteren Arbeiten herangezogen worden sein. Die wendische Siedlung „Gora“ wuchs durch Zuzug von Handwerkern und Krämern aus deutschen Gebieten nachhaltig. Wir wissen, dass die Bewohner ihren Tribut, den „Bischofsroggen“ entrichten mussten. Die sich erweiternde Macht des Klosters wurde ersichtlich, durch zunehmenden eigenen Besitz an Grund und Boden. Ansiedler erwarben Eigentum und zahlten für Häuser, Äcker und weiteren Besitz Steuern an das Kloster. Dem gehörten u.a. die Braugerechtigkeit und die Mühlen. Das gemahlene Korn war menschliche Lebensgrundlage und das Kloster übte den Mahlzwang aus.
Selbst die Zunftprivilegien stellte die Priorin des Klosters zu Bergen aus, so für die Schumacher 1355 und für die Pelzer und Kürschner 1384. Andere Zünfte erhielten ihre Privilegien, wie die Gewandschneider, die Leineweber, die Schmiede und die Krämer. Die Bergener Zünfte wurden durch die Stralsunder, Wismarer und weiterer städtischen Zünfte anerkannt. Die Schuhmacherzünfte bildeten 1553 eine Gemeinschaft der „sechs wendischen Städte“. Bergen entwickelte sich, ausgehend von der Marktsiedlung, vergleichsweise gut. Der Klosterkonvent konnte über gute Einnahmen verfügen, auch wenn Bergen kein Stadtrecht mit wehrhaften Mauern besaß. Dieser setzte zur Verwaltung und Ordnung vier Quartiermeister ein. Der in Bergen residierende königliche Landvogt übte von hier die höhere Gerichtsbarkeit für ganz Rügen aus, während die niedere Gerichtsbarkeit dem Kloster unterstand. Karitative Dienste wurden in den Spitälern „St. Jürgen“ und St. Gertruden“ für die Armen, Alten, Gebrechlichen und Reisenden ausgeführt.
Der Bergener Marktbereich entwickelte sich durch die Jahrhunderte zum Handelszentrum für Rügen.
Das Kloster gab dem pommerschen Herzog die Siedlung als Lehen und ermöglichte ihr dadurch noch bessere Entwicklungschancen. Am 19. Juni 1613 erkaufte sich das erstarkte Bürgertum von Bergen städtische Rechte von dem pommerschen Herzog Philipp Julius und dieser erbaute sich zuvor sein Jagdschloß in Bergen. Im Gegensatz zu Garz, das 1319 Stadtrecht erhielt, entwickelte sich Bergen trotz Kriege und Feuersbrünste weitgehendst kontinuierlich. Das Kloster war natürlich nicht interessiert an einem Bergener Stadtrecht, denn es hätte die klösterlichen Pfründe geschmälert. So wurde der Weg erst nach der Säkularisierung 1539 auf Rügen frei.
Die geballte Kraft der Entwicklung Bergens ging vom Marktflecken aus und entwickelte sich, heute noch gut sichtbar, serpentinenartig ins Tal.
Eindrucksvoll gibt die Stralsunder Bilderhandschrift aus dem beginnenden 17. Jahrhundert das wachsende städtische Bild wieder. Der Standort des wohl ältesten Gebäudes, der „taberne in gora“ befand sich an markanter Position wo heute Markt 1 steht. Der spätere 2. Standort ist der heutige Ratskeller, einst mit Krug und Räumlichkeiten der Ratsherrlichkeit in der 1. Etage und dem anschließenden Kophus der Gewandschneider. Nach 1613 ließ der Bergener Magistrat vor dem Rathaus einen eigenen Schandpfahl errichten. Zwischen Krug und Kirche lag der „Alte Friedhof“ der bis 1829 existierte. Wo heute die Post von 1891/92 mit späterem Anbau steht, befand sich der im frühen Mittelalter angelegte Marktpfuhl. Das danach folgende Hochständerfachwerkhaus wurde zu Beginn des 17.Jahrhunderts erbaut. Hier befindet sich noch heute, wie einst in vielen Handwerker- und Kaufmannshäusern ein Lastenaufzug. Die Häuser der Ostseite des Marktes wurden als „ganze Häuser“ bezeichnet und dienten auf Grund der Lage angesehenen Familien, die im fürstlichen Dienst standen. Viele dieser Häuser besaßen Kellergewölbe, die oft aus dem 15. Jahrhundert stammten und die großen Stadtbrände überdauert hatten. Auf dem Weg zur Burg an der Vieschstraße lagen ein Krug und der Ausspann, später der „Stern“ und „Zum Rugard“.
Große Brände, wie der von 1445 zogen den Marktbereich mit der Kirche in Mitleidenschaft.
1538 fielen wiederum 55 Bauten im Marktbereich den Flammen zum Opfer. Der Brand von 1690 vernichtete nicht nur das Rathaus sondern das Gedächtnis von Bergen, das Stadtarchiv. Der Brand von 1726 vernichtete 64 Häuser. Nur ein Zufall rettete das 1613 begonnene Bürgerbuch. Ein weiteres Unglück für Bergen war die Pest im 30 jährigen Krieg zwischen 1626 und 30, wo nach Angabe mehr als 50 % der Einwohner starben. Ebenso wirkten sich die durch Einquatierungen und Tribute gebeutelte Stadt der napoleonische Fremdherrschaft im beginnenden 19. Jahrhundert negativ auf die Entwicklung aus. Die zentrale Bedeutung des Marktes erkennen wir heute noch an den strahlenförmigen Zufahrten zum Markt. Die Marktstraße, sowie die Königstraße bis Ende 1900 auch „via regia“ genannt, die Vieschstraße als zuführende Burgstraße, waren Wege ins Zentrum. Die Raddasstraße, die in die Heide führte erlebte ihre Renaissance mit dem Bau des Lietzower Dammes um1868.
Im 18. Und 19.Jahrhundert wandelte sich das innere Stadtbild. Das Schloß war verschwunden, ebenso die Klostergebäude.
Dafür wurde 1708 das königlich schwedische Amtshaus errichtet und um 1732 die Stiftsgebäude im Kloster. Das Rathaus wurde als zweistöckiges Fachwerkgebäude an historischer Stelle des Ostmarktes neu erbaut. Weitere errichtete Häuser bekamen ein festes Dach und kein Rohrdach mehr, denn Polizeiverordungen untersagten diese Bedachungen. Zahlreiche Häuser wurden mit dem Giebel zur Straße errichtet. Bergen besaß ein Hospital, Ärzte und 2 Apotheken. Daneben gab es Verwaltungsangestellte, den Amtsmann, die Polizei, die Post, Schule und die Kirchen. Die Bürger übten mehrheitlich ein Handwerk aus oder waren Kaufleute. Nebenbei unterhielten sie oft eine kleine Landwirtschaft.
Bergen war eine Acker – Bürger – Stadt. Dazu kamen noch 13 selbstständige Fischer.
Ein starker Rückgang war in der Gastbewirtung zu verzeichnen. So wurden zu Beginn der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts neben dem Ratshauskeller nur noch 3 Krüger und 3 Brauer verzeichnet. 1506 gab es noch 14 Krüge in Bergen.1780 zählte Bergen 1374 Einwohner und 1861 waren es bereits 3.647. Das 1838 erbaute Amtsgericht festigte Bergen als Gerichtsstandort für Rügen und stärkte den 1806 geschaffenen eigenständigen „Landkreis Rügen. Sitz des Landrates wurde das neu erbaute Kreishaus in der Billroth-Straße.
Kürschnermeister Uwe Hinz
18528 Bergen auf Rügen, Pf.1224
firma-hinz@web.de
www.altstadtverein-bergen-auf-ruegen.de
Inselexperten-Tipp:
Der Autor Uwe Hinz bietet außerdem regelmäßig Stadtführungen in Bergen auf Rügen an:
“Mit Ihrem magister historicus das historische Bergen entdecken”
Ein Streifzug durch unsere Kultur-, Natur-, Architektur- und Kunstgeschichte
Mittwochs (vom 01. April bis 30.September) um 10.30 Uhr
Treffpunkt ist der Platz „ Am Goldener Brinken“ (obere Bahnhofstrasse an der Billroth –Eiche)
ab 2 Personen pro Pers. 10,00 EURO
Dauer ca. 120 Minuten
Individuelle Führungen zu anderen Tagen und Zeiten das ganze Jahr über gern nach Absprache.
Donnerstags (bis Ende September) Kirchen- und Klosterarealführungen von 11.30 – 12.30 Uhr (5 Euro pro Person)
melden am Informationsstand in der Kirche St. Marien
Kontakt: firma-hinz@web.de oder telefonisch unter 03838 252808 (oder abends unter 03838 308485)
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