Es ist ein leicht bedeckter Tag kurz vor Halloween, noch wunderbar mild, mit wenig Wind, und viel zu schade um drinnen zu sein. Wir haben mit einer 2/3 Mehrheit beschlossen zu erforschen, ob es bei den Hügelgräbern von Woorke tatsächlich spukt.
Im Rucksack: ein Buch über Bodendenkmale auf Rügen, etwas zu trinken, meine Kamera
Meine Begleiter: Nr. 2 ist 9 Jahre alt und und Nummer 1 hat Pubertät, ist zeitweise ungenießbar und nicht nur bei dieser Aufzählung immer ganz hinten.
Die letzten Kraniche ziehen über uns hinweg, als wir die kleine, herbstlich gefärbte Allee von Patzig aus herunter kommen, dort wo man durch die knorrigen Krüppelweiden an einem geheimnisvollen grünen Teich schon auf die Grabanlagen blicken kann. Der Herbst ist schon deutlich zu riechen, obwohl die Luft noch warm ist, und die aufsteigende Feuchtigkeit die 13 kleinen Hügelkuppen auf dem Feld in optische Watte gepackt hat. Merkwürdig, aber ich mag diesen Geruch von Gerbsäure und Vergänglichkeit, er hat irgendwie immer etwas beruhigendes finde ich.
Der Feldweg führt uns vorbei an voll behängten Schlehenbüschen und prall glänzenden Hagebutten, und wir nähern uns den ersten Begräbnisstätten. Imposant ragen die ca. 6 m hohen Hügel mit ihrer Frisur aus Eichen- und Buchenbewuchs mitten aus dem Acker. Ein kleines Stück dahinter weiden Schafe vor den paar Häusern des winzigen Dorfs Woorke. Es ist ruhig. Wären nicht die frechen Rufe der umherkreisenden Krähen zu hören, würde man denken, dass die Zeit hier mitten in der verwunschenen Nebellandschaft eingeschlafen ist. Von den weit über 500 unter Denkmalschutz stehenden Hügelgrabanlagen auf der Insel Rügen gefällt mir die Ansammlung in Woorke am besten.
Wir steigen auf einen der Hügel, und das mit dem Probeliegen mache ich jetzt einfach mal. „Sind hier Leichen drunter?“ fragt Nummer 2. „Das ist schon lange nicht mehr so,“ murmel ich entspannt, trotzdem wird es mir jetzt etwas mulmig und ich stehe lieber wieder auf, „die Gräber sind wahrscheinlich aus der Bronzezeit, da wurden die Menschen hier in Baumsärgen bestattet und mit Steinen und Erde zugedeckt.“ Während ich noch mein Buch dazu aus dem Rucksack krame, punktet Nummer 1 mit Wissen via Handy:
Etwas andächtiger umschreiten wir die anderen Hügel. Auf einem liegt ein ausgeblichenes Eichenbaumskelett und eine alte Buche hat in der Borke über 20 Augen, die auf uns herab starren. Nicht weit davon entfernt steht eine andere mit zwei faustgroßen Löchern unten am Stamm.
„Ach wie lächerlich,“ Nummer 1 hat sich am schnellsten von unserem Adrenalin-Kick erholt, „Geister sind Hirngespinste.“ „Auch wenn du sie nicht siehst sind sie vielleicht trotzdem da,“ versucht Nummer 2 die gruselige Stimmung aufrecht zu erhalten. Es hat begonnen zu dämmern und etwas enttäuscht brechen wir die Geistersuche ab, um durch den verträumten Ort Woorke zurück zu wandern.
Leise umweiden die Schafe hier den Pfahl mit dem Storchennest, eine Katze schleicht durch das hohe Gras der feuchten Wiese, aus dem jetzt der Abendnebel aufsteigt, und frech rufen die Krähen auf ihrem Gleitflug über die Nekropole in der Dämmerung.
In diesem Moment entdecken wir die Geister dann plötzlich doch – ganz erstaunliche Exemplare! Zwar nicht direkt an den Hügeln, aber mitten in Woorke.
In meinem Rucksack trage ich die Kamera mit den Beweisfotos der freundlichen Geister von Nekropolis! 😉
Kommentare sind geschlossen.