Im Gespräch mit dem Regisseur, dem Bühnenbildner und dem Hauptdarsteller kurz vor der Premiere:
„Für eine Bühne wie diese gibt es keine Lehrbücher“, weiß der neue Störtebeker-Regisseur Peter Dehler. „Dieses fantastische Freilufttheater am Großen Jasmunder Bodden hat seine eigenen Gesetze.“ Zum ersten Mal führt Peter Dehler bei den Störtebeker-Festspielen Regie. „Als ‚normaler’ Zuschauer kannte ich dieses Open-Air-Spektakel schon, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich als Regisseur zu bewerben.“ Er sei vom Schweriner Intendanten Joachim Kümmritz vorgeschlagen worden, hieß es im September 2013 in einer Pressemeldung. Dehler, der Schauspieldirektor am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin war, ist und bleibt, hat „Ja“ gesagt und es nicht bereut. „Denn ich konnte mich auf ein eingespieltes Ensemble, auf die alten Hasen und ihr Know How, verlassen.“
Mehr als 100 Theaterinszenierungen hat Peter Dehler bislang auf die Bühne gebracht. Auch „Einer flog über das Kuckucksnest“ mit Gojko Mitić – und einem (!) Pferd auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Störtebeker hat hingegen ganz andere Dimensionen. Erst in den letzten Proben kamen auf dem Bodden vier Koggen und auf der Bühne 30 (!!!) Pferde, der Adler, ein Falke und natürlich die kostümierten Schauspieler, die Stuntmänner und die Statisten gemeinsam zum Einsatz. Zuvor hatten die Darsteller in den Proben zum Teil nur so getan, als ob sie auf ihren Pferden sitzen, über die Bühne reiten oder von einer Explosion erschüttert werden. Das ist nun Geschichte. Willkommen in der heißen Phase: Am 21. Juni feiert „Gottes Freund“, so heißt die Inszenierung, Premiere.
„Ich freue mich auf meine zweite Saison als Störtebeker,“ verriet uns der Schauspieler Bastian Semm, dessen Konterfei – zusammen mit Goedeke Michels (Andreas Euler) – inselweit auf Plakaten zu sehen ist. „Das ist schon ein komisches Gefühl – überall wir“, gesteht Bastian Semm. „Sicherlich werde ich jetzt noch öfter angesprochen.“ Aber es sei auch ein schönes Gefühl, wenn die Insulaner und ihre Gäste sagen: „Das ist unser Störti.“ Rügen ist inzwischen seine zweite Heimat geworden. Nicht nur im Sommer lockt es ihn hier her, auch außerhalb der Saison, wenn er mit seinem Johnny-Cash-Programm singend und Gitarre spielend auf Deutschlands größter Insel unterwegs ist oder Rügen erkundet. „Mich fasziniert vor allem diese schmale Landzunge zwischen dem Großen und Kleinen Jasmunder Bodden bei Lietzow“, sagte er und nahm auch gleich einen Inselexperten-Tipp mit: „Den Wald bei Semper, gleich hinter Lietzow, musst du unbedingt besuchen. Lass dich überraschen von diesem Zauberwald. Von dort kannst du mit dem Fernglas hinter dem Bodden auch die Störtebeker-Bühne entdecken. Die Bauten sind nicht zu übersehen.“
Wie in den Jahren zuvor (seit 1997) hat auch diesmal Falk von Wangelin das Bühnenbild entwickelt, gezeichnet und mit den Bühnenbauern um Klaus Tiedtke umgesetzt. Auf der linken Seite die Festung Stockholm, eine Burg mit einem überraschenden Innenleben, in der Mitte das Feldlager der dänischen Königin, das wie aus dem Nichts auf die Bühne rollt, rechts die Hansestadt Wismar. Alles täuschend echt. Selbst das scharfe Auge eines Teleobjektivs vermag das Backsteinmauerwerk aus glasfaserverstärktem Kunststoff nicht zu entlarven.
Schon vor den „Störtebeker-Festspielen der Neuzeit“ (Start: 1993), hat von Wangelin in Ralswiek gearbeitet, 1980/81, als Störtebeker bei den Rügen-Festspielen in einer Fassung von Kurt Barthel (KuBA) unter der Regie von Hanns Anselm Perten auf die Bühne gebracht wurde. Beim heute 74-jährigen Bühnenbildner liefen damals alle Fäden der Gesamtausstattung zusammen – von den Schiffen über die Kostüme bis hin zu den Masken. Auch das ist Geschichte.
Beim Probelauf am Mittwoch strahlte er, als er die Bühne im Abendlicht und später von Scheinwerfern angeleuchtet sah.
Ab Sonnabend heißt es dann bis zum 6. September allabendlich (außer sonntags): „Wir schreiben das Jahr des Herrn 1393. Drei lange Jahre währte nun schon der Krieg zwischen Mecklenburg und Königin Margarete von Dänemark. Es geht um Schweden. . .“
Dann haben Peter Dehler und Falk von Wangelin ihre Arbeit getan: Zwei Männer, die nur einmal, nämlich bei der Premiere, auf der Störtebekerbühne von Ralswiek im Rampenlicht stehen und vom Publikum mit tosendem Applaus bedacht werden. Sie können sicher sein, dieser Beifall wird auch ihnen in der gesamten Saison 2014 gelten.
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