Regatta ohne Wind – Von einer unfassbar unpassenden Flaute


Berichte von Einheimischen.

Dass ich einigermaßen seefest bin und ohne Bord-Koller auch mal zwei Wochen auf einer kleinen Segelyacht überstehe, weiß ich spätestens seit 1997. Damals hatte mein Onkel mich und meinen Bruder auf einen Törn durch die südliche Ostsee mitgenommen. Nach den knapp zwei Wochen konnte ich zwei oder drei verschiedene Knoten und wusste, was eine Großschot, der Baum, eine Patenthalse (unbedingt zu vermeiden!) und ein Fender sind. Sogar das Mann-über-Bord-Manöver hatten wir geübt. Vertieft habe ich dieses Wissen später nie. Ganz im Gegenteil – sechzehn Jahre später war ich überzeugt, wirklich alles vergessen zu haben.

Mein Onkel nahm mich trotzdem wieder mit an Bord. Und zwar nicht zu einem gemütlichen Ferientörn, sondern zur Regatta „Rund Rügen“, die im Rahmen der 64. Stralsunder Segelwoche stattfand! Mich, die Leichtmatrosin, die die Ostsee sonst eigentlich lieber vom Strand aus genießt!

Es war im Juni 2013. Die Sonne strahlte. Besonders warm war es zwar nicht, aber bei den Manövern, im Kampf Boot gegen Boot, würde uns schon warm werden. Dachten wir. Beim Start im Strelasund, vor der zur Hansestadt Stralsund gehörenden Insel Dänholm, kamen wir auch noch ganz gut weg, ließen Teile der Konkurrenz hinter uns und sahen aus sicherer Entfernung mit an, wie eines der Boote bei einem Manöver aus dem Fahrwasser geriet und auf Grund lief. Ohne den Einsatz des Motors – der bei Regatten bekanntlich untersagt ist – gelang es der Crew, das Boot wieder ins Fahrwasser des Strelasund zu manövrieren.

Wir hatten unterdessen Meter um Meter gutgemacht und einen Konkurrenten nach dem anderen hinter uns gelassen – trotz des nachlassenden Windes. Mein Onkel, der alte Seebär, hatte mit verschiedenen Vorsegeln experimentiert, Spinnaker gegen Gennaker getauscht, und schnell herausgefunden, mit welchem wir am meisten Fahrt machen würden. Wir konnten uns also erst einmal über den Proviant hermachen, um uns für die bevorstehende Segel-Nacht zu stärken. Wir waren sicher, dass es bald richtig losgehen würde, sobald wir aus dem Strelasund heraus wären.

Denn schließlich sind die Gewässer rund um Rügen eines der beliebtesten Segelreviere der ganzen Ostsee:
dank exzellenter Windverhältnisse, herrlicher Landschaften und einer hervorragenden maritimen Infrastruktur.

Dass der Wind ausgerechnet an unserem Regatta-Wochenende eine Pause einlegen würde, damit hätte wirklich niemand gerechnet. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Also genossen wir einstweilen den glühenden Sonnenuntergang. Denn wenn wir erst aus dem Greifswalder Bodden heraus wären und den Thiessower Haken passiert hätten, meinten wir, dann würde der Wind schon auffrischen. Die Hälfte unserer kleinen, vierköpfigen Crew nutzte die Gelegenheit für kurzes Nickerchen unter Deck. Es war frisch geworden, der Kurs lag an und an Deck war gerade nichts zu tun.

Als die Sonne glühend rot über der Ostsee aufging, waren wir schließlich vor dem Ostseebad Sellin angekommen, zum Frühstück rückten die Binzer Seebrücke und das Kurhaus in unser Blickfeld und auch die Hoffnung auf ein Auffrischen des Windes stieg mit der Sonne. Vor der Jasmunder Kreideküste allerdings wurde der Wind so schwach, dass sich die Dehler 106 meines Onkels kaum noch manövrieren ließ. Die Windvorhersage versprach nichts Gutes und nach ungefähr 18 Stunden hatten wir gerade erst die Hälfte der Strecke geschafft. Bei kaum nennenswertem Wind hätten wir noch die Kreideküste und das Kap Arkona, das wir mit Müh und Not in der Ferne erblicken konnten, Wittow, das Hiddensee-Fahrwasser und die Küste Westrügens umschiffen müssen, um zum Ziel in Stralsund zu kommen. In den wenigen Stunden, die uns noch blieben, und bei den verhexten Windverhältnissen ein Ding der Unmöglichkeit.

Eine schwere Entscheidung, waren wir doch während der Regatta-Stunden eine richtige kleine Crew geworden… Aber mit dem Anwerfen des Motors war diese Wettfahrt für uns zu Ende. Ausgebremst von einer unfassbar unpassenden und hartnäckigen Flaute… Immerhin waren wir nicht die einzigen: Von 42 gestarteten Booten kamen nur 13 innerhalb der Frist am Ziel an. Hinter allen anderen Bootsnamen war in der Wertungsliste das Kürzel DNF für „did not finish“ zu finden. Ein Kürzel, mit dem übrigens alle Teilnehmer der Bootsklasse, in der wir starteten, bedacht werden mussten. Ja, das ist ein kleiner Trost. Fassungslos sind wir bis heute nur darüber, dass die wohl einzigen beiden windstillen Tage des Jahres ausgerechnet an diesem Wochenende im Juni waren.

Erst am nächsten Tag machte das Segelrevier seinem guten Namen wieder alle Ehre. Für die Regatta leider einen Tag zu spät…


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