Der Geschmack des Glücks
Fragt man Nils Peters nach dem Geschmack von Rügen, erzählt der Bäckermeister von den Gerüchen seiner Kindheit auf der Insel: der großen Räucherei nebenan, dem herben Duft von frisch gemähtem Heu, dem erdigen Geruch des Waldes, der Landwirtschaft und natürlich dem Meer. Der Mann mit den kurzen Haaren und vielen Lachfältchen um die Augen sitzt im Cafè seiner Bäckerei im Sassnitzer Stadtteil Mukran. In der Auslage hinter dem Tresen liegen drei Brote, von denen das erste Heu einer vom Meer überfluteten Wiese, das zweite geräuchertes Roggenkorn und das dritte den Geschmack von gerösteten Walnüssen und Rapsblüten enthält. Was für Marcel Proust die Madelaines waren, erfüllen für Peters die Naturbrote „Salzwiese“, „Rauchkorn“ und „Rapshonig“ aus dessen Brotserie „So schmeckt Rügen“. Die Erinnerungen und Aromen der Insel in Teig zu backen ist eine brotgewordene Liebeserklärung des Rüganers an seine Heimat.
Die Nähe zum Meer ist auch in der Architektur augenscheinlich: Die Produktionsstätte mit anschließendem Cafè liegt direkt am neuen Becken des Fährhafen Mukrans. Blickt man hinaus, schaut man auf die dunkle Weite des Meeres. Am Eingang des rundherum gläsernen Bauwerks, das 2006 eigens für die Bäckerei und Konditorei gebaut wurde, lehnt eine nicht mehr fahrtaugliche, aber blankpolierte „Flying Dutchman“ Regattajolle. An der Glasfront zur Seeseite stehen zwei Schiffsmodelle der „Rügen“ und der „Sassnitz“. Früher lag die Produktion in deren Altstadt. Heute steht dort die Mühle, mit der vor allem die Vollkornmehle und ältere Getreidesorten gemahlen werden. Der Großteil des Mehls kommt jedoch aus Jarmen.
Die Wahl einer komplett verglasten Fassade und des dadurch gläsernen Produktionsprozess‘ hat für Bäcker Peters auch einen weiteren Grund. „Handwerk darf sich nicht verstecken. Es muss gesehen werden, transparent und bodenständig bleiben, um die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu bekommen, die es braucht. Handwerk sollte dort verortet sein, wo das Leben stattfindet.“ Im Grunde habe die Tätigkeit des Backens per se viel mit „Leben“ gemeinsam. Anders als sein Vater, Gründer der Bäckerei zusammen mit seiner Frau 1964 und Peters der ersten Generation, entschied sich sein Sohn Nils nicht für das Konditoren-, sondern für das Bäckerhandwerk. „Die Bäckerei hat anders als die Konditorei wenig Statisches an sich. Der Teig ist im wahrsten Sinne des Wortes etwas Lebendiges, Wachsendes, das sich verändert und Zeit braucht.“ Ein Mehr an Zeit bedeutet heutzutage für ein Bäckereiunternehmen jedoch zwangsläufig einen Mehraufwand an Platz, Geld und Logistik. Einen Luxus den man sich bei Peters gönnt. „Zeit ist Qualität. Und damit ein entscheidender Faktor in der Bäckerei. Der übermäßige Einsatz von Triebmitteln oder anderen Backbeschleunigern bedeutet in den meisten Fällen ein Verlust an Geschmack“.
Nils Peters lernte das Bäckerhandwerk 1991 in Bremerhaven und machte seinen Meister später in Hannover. Nach mehreren Reisen im In- und Ausland, Stationen bei verschiedenen Unternehmen und der Leitung eines Seminares über deutsche Backverfahren in Mexiko, zog es den Rüganer wieder auf die Insel. Zurück in Sassnitz wurde Peters senior nach der ersten Bäckerlehre „erst einmal gezeigt, wie man Brot bäckt“. Das dabei entstandene Ur-Brot der Bäckerei, der „Kleine Peters“, von Stammkunden auch liebevoll „Kleiner Nils“ genannt, wird immer noch verkauft. Die Bäckerei Peters umfasst heute mehrere Filialen auf Rügen mit 110 Mitarbeitern. Dennoch bleibt Nils Peters bescheiden. „Ein Unternehmen zu führen ist 50 Prozent Glück.“ Glück. Das könnte schmecken wie Rapshonig. Oder frisch gemähtes Gras einer Salzwiese.
P.S. Die Brote von Nils Peters kann man auch online bestellen.
Kommentare sind geschlossen.