Wandern auf Rügen: Gipfelglück in den Zicker Bergen


Im südöstlichen Zipfel Mecklenburg-Vorpommerns geboren, verschlug es Claudia zunächst nach Leipzig, dann nach Schottland, Berlin und zuletzt auf eine Berghütte in den Alpen. Die Sehnsucht nach Wind und Meer zog sie schlussendlich nach Rügen, wo sie jede freie Minute Rad-... mehr

Noch im September des letzten Jahres erwachte ich jeden Morgen auf einer Berghütte in 1.600 Metern Höhe, umgeben von den mächtigen Gipfeln der Allgäuer Alpen, manche von ihnen zu dieser Zeit bereits mit Schnee bedeckt. Dort entdeckte ich zum ersten Mal meine Liebe zum Wandern. Diese stille Vorfreude, die von einem Besitz ergreift, wenn man sich ein paar Brote schmiert, die Wanderschuhe schnürt, den Rucksack schultert. Zu kleinen und großen Abenteuern aufbricht.

Als „Flachlandtirolerin“ waren es für mich, besonders am Anfang, ziemlich große Abenteuer. Nicht ganz frei von Höhenangst bedeutete jeder Gipfel auch ein Stück Überwindung. Und doch haben mich diese stillen Streifzüge durch die Natur in ursprünglicher Berglandschaft in ihren Bann gezogen. Womöglich ist das der Grund, warum es mich, seit meinem Umzug auf die Insel, immer wieder magisch in die Zicker Berge zieht. Selbstironisch, aber nicht grundlos, werden sie im Volksmund auch als „Zicker Alpen“ bezeichnet.

Einzigartige, raue Hügellandschaft

Die Zicker Berge auf MönchgutDie Landschaft ist einzigartig: Artenreiche Magerwiesen und Halbtrockenrasen bedecken die sanft geschwungenen Hügel. Mehr als 90 der hier vorkommenden Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Auch seltene Tiere und Insekten, wie der Karmingimpel oder die Sperbergrasmücke und eine Reihe seltener Tagfalter sind hier zu Hause.

Eine faszinierende Naturlandschaft, immer eine Wanderung wert. Gleich zu Beginn erwartet mich einer meiner Lieblingsmomente dieser Route. Ich trete aus dem Windschatten einiger Häuser auf den Deich. Der Wind hat freie Bahn, er pustet mir ins Gesicht, lässt die Wellen weiß schäumen, wirbelt im raschelnden Schilf. Der Ausblick auf die lange, schmale Halbinsel Reddevitz ist herrlich.

Bald macht der Weg eine Biegung und führt mich ein letztes Stück durch den Ort, vorbei an pittoresken reetgedeckten Häusern, eines schöner als das andere, vorbei an einer Herde frisch geschorener, rauwolliger Pommernschafe. Kaum habe ich das letzte Haus hinter mir gelassen, wird der Pfad schmal. Ich bin allein, keine Menschenseele ist zu sehen.

Vorboten der goldenen Jahreszeit

Glockenblume in den Zicker BergenWieder hat sich die Natur seit meiner letzten Wanderung verändert. Die Schlehenbüsche tragen nun reiche Ernte. Die Beeren sind so groß, dass sie dem ungeübten Betrachter wie Pflaumen erscheinen mögen. Hier und da Sanddorn, dessen leuchtend orangefarbene Beeren sich an stacheligen Zweigen drängen. Zwischen den goldgelben Gräsern am Wegesrand blüht vereinzelt die Pfirsichblätterige Glockenblumen in prächtigem Violett.

In dieser „Steppenlandschaft“ stehen hier und da Baumgruppen wie grüne Oasen, die erste Schattierungen des Herbstes erahnen lassen. Als ich die allererste Anhöhe erreicht habe, bin ich – wie jedes einzelne Mal zuvor – erstaunt über die raue Schönheit dieses Landstriches. Dann führt mich der Weg durch ein kleines Waldstück, dessen Blätterdach so dicht ist, dass die Luft plötzlich kühl wird. Das Rauschen des Windes verstummt und die Sonne zeigt sich nur noch in kleinen, tanzenden Lichtpunkten. Es dauert ein paar Sekunden, bis sich meine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt haben.

Nach wenigen Metern öffnet sich der Weg vor mir, gibt den Blick frei auf die See. Nach der Stille im Wäldchen ist das Tosen des Wassers fast ohrenbetäubend. Eine Treppe führt hinunter zu dem naturbelassenen Küstenabschnitt mit einer Reihe imposanter Findlinge, einer von ihnen mannshoch. Sie sind vom Sonnenlicht ganz warm. Durch den kräftigen Wind beansprucht die See heute einen bedeutend größeren Abschnitt des Strandes als noch bei meiner letzten Wanderung. Die Wellen brechen sich an den Steinen, springen in weißen Fontänen über sie hinweg. Wie klein wir Menschen doch sind, denke ich und spüre, wie mein Herz ein bisschen schneller klopft.

Gipfelglück auf dem Bakenberg

Die Aussicht vom BakenbergWenig später erreiche ich Groß Zicker. Hier führt der Wanderweg vorbei an einladenden Einkehrmöglichkeiten, idyllischen Reetdachhäusern mit liebevoll gepflegten Vorgärten und dem etwas windschiefen Pfarrwitwenhaus, das bereits Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet wurde und heute als Museum besichtigt werden kann.

Auf dem Weg zurück nach Gager erwartet mich mein kleines Gipfelglück: die mit 66 Metern höchste Erhebung auf Mönchgut. Die Aussicht hier ist einmalig. Im Norden reicht der Blick über die Hagensche Wiek bis zum Turm des Jagdschlosses in der Granitz.

Im Süden scheint die Szenerie rund um Thiessow und die Halbinsel Klein Zicker beinahe unwirklich. Ein paar veilchenfarbene Wolken haben sich am Himmel gebildet. Dort, wo es die Sonne mit sichtbar gewordenen Strahlen hindurch schafft, taucht sie die Ostsee in gleißendes, silbriges Licht. Im Osten verschmilzt der Horizont mit der offenen See. Ein wenig noch genieße ich die Aussicht, dann geht es den Berg hinunter. Und zwar so, wie ich es in den Alpen gelernt habe: klein gemacht, mit kurzen Schritten. Hätte ich nicht schon dort die Liebe zum Wandern entdeckt, dann doch spätestens hier – in der berauschend schönen und ungezähmten Landschaft der Zicker Berge.

Geführte Themen- und Erlebniswanderungen in die Zicker Berge, aber auch in andere Regionen der Insel gibt es im Rahmen des Aktivherbstes zwischen dem 15. September und dem 28. Oktober. Alle Informationen dazu gibt es hier.


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