Aufgetischt! Frank Lucas || Inselbrauerei


Berthe Jentzsch ist zwar gebürtige Berlinerin, braucht aber ab und zu Meer. Daher reist sie gerne. Entweder auf die Insel Rügen oder auf die Halbinsel Italien, wo sie einige Zeit lebte. Sie studierte Literaturwissenschaft in Wien und am Peter-Szondi-Institut in... mehr

Die Bieranbeter

Dass eine Brauerei durchaus ein sakraler Ort sein kann, erfährt man, wenn man die Insel-Brauerei in Rambin betritt. Die sich alsbald einstellende Assoziation, in eine Mischung aus Bierfass und Kirchenschiff geraten zu sein, scheint im ersten Moment etwas abwegig. Da ist zuallererst der Geruch. Eine süßliche Mischung aus Malz, Wärme und Holz. Ehrfurchtsvoll gedämpftes Licht. Als Orgelklang dient das dumpfe Klopfen der Malzmühle. Den hohen, länglichen Raum kleidet eine Täfelung aus dunklem Holz, wie die Innenwände eines alten Eichenfasses. Die Tische sind Fässer, die Regale Bierkisten, die Stühle überdimensionale Kronkorken und die Lampen halbierte Flaschen. Über dem sich entlang der Wand streckenden Holztresen arbeiten hell erleuchtet, die Sudpfanne und der Läuterbottich. Hier kocht die Würze. Die Vorstufe zum himmlischen Gebräu.

Die Assoziation mit einem Fass ist jedoch durchaus irreführend, klärt Frank Lucas, Betriebsleiter und deutscher Biersommeliermeister (2017), auf. Keines der Biere, das die noch junge, im August 2015 eröffnete Insel-Brauerei verlässt, hat jemals ein Bierfass von Innen gesehen. Alle, ausnahmslos obergärigen Biere reifen in der Flasche. Durch dieses traditionelle Verfahren bleibt das Bier komplett sauerstofffrei. Der Geschmack wird abgerundet, die Kohlensäure viel feiner eingebunden und das Bier bleibt auf natürliche Weise länger frisch. Zusätzlich werden die Insel-Biere in das für sie charakteristische Naturpapier gewickelt. So sind sie vor dem zweiten großen Alterungsfaktor geschützt: dem UV-Licht. Bier in unverpackten Flaschen ist diesem hingegen ständig ausgeliefert. Auch im Supermarktregal.

Aber damit nicht genug. Lucas verrät drei weitere Geheimnisse ihres exzellenten Bieres: die Verwendung von Naturdoldenhopfen, die offene Gärung in flachen Wannen für ein maximales Aroma und der Verzicht auf Filtration. Der begeisterte Biersommelier genießt das Reden von und über Bier ebenso wie das Getränk selbst. Er schwärmt von feinporigem Schaum, japanischem Hopfen mit leichter Dillnote, cremigem Hafer, nussigem Rogen, mildem Weizen, dem kreidehaltigen Wasser der Insel und der Schokoladennote des heiß gedarrten Malzes.

Zwölf Biere umfasst das Sortiment der Insel-Brauerei. Je drei Editionen à vier Biere. Neun von ihnen gewannen 2017 Gold beim World Beer Award in London, wobei eine Sorte – Seepferd – als weltbeste in ihrer Kategorie prämiert wurde. Sieben wurden beim Internationalen Craft Beer Award mit Gold und Platin ausgezeichnet. Die erste Serie richtet sich an Menschen, die am ehesten den klassischen Biergeschmack, etwa von Pils (Insel Herb), Weizenbier (Insel Saison), sektartigem Champagnerbier (Insel Kreide) und Schwarzbier (Insel Kap) suchen. Die zweite Serie ist eine Hommage an traditionelle britische und belgische Biere, wie Stout und Ales, und wird von Genussmenschen und Weinliebhabern geschätzt, die die passende Begleitung zu einem guten Menü suchen. Die letzte Serie spricht Kenner an, die etwas Neues wagen wollen. Im Angebot gibt es sogar zwei saure Biere mit Milchsäurebakterien, die heutzutage eher selten sind. In der belgischen Brautradition oder in der Leipziger Gose sowie der Berliner Weisse sind sie jedoch noch anzutreffen.

Die Bezeichnung “Seltene Biere“ setzt sich bewusst von dem hippen Ausdruck “Craft Beer“ ab. „Natürlich ist das, was wir machen Craft Beer. Unsere Biere sollen jedoch zeitlos sein und sich nicht einer Mode unterwerfen. Vielmehr erzählen die Insel-Biere die Geschichten von Rügen. Das “Saison“ flüstert von Strand und Sonne, das “Herb“ umschreibt die Rauheit von Landschaft und Klippen, das “Baltic Ale“ berichtet von herrschaftlicher Freiheit und Wind“, erklärt Insel-Brauerei-Gründer Markus Berberich, ehe er in sein Büro entschwindet. In den Gärwannen gluckert es. Die nächste Andacht steht an.


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