Roman-Debüt von Sylvia Voigt im Schardt Verlag: Der Insel-Krimi „Rügener Abgründe“.
Was mag wohl der Grund dafür sein, dass eine 85-jährige Dame auf Rügen den Kopf verliert? Diese Frage beschäftigt die Kriminaloberkommissarin Jessica Burmeister in ihrem ersten Mordfall auf unserer Insel. Doch bevor sie auf die kopflose Leiche stößt und im wahrsten Sinne des Wortes ein Puzzle beginnt, nimmt uns die Autorin Sylvia Voigt zunächst mit in die Wohnung der durstigen Kommissarin. Die gibt sich einem französischen Orangenlikör hin, weil sich ihre Gedanken um eine neue Chefin drehen, die ihr demnächst vorgesetzt werden soll. Dann kommt der Anruf. . .
Ein flüssiger Einstieg in die Geschichte,
mit trockenem Humor flott geschrieben, heiter bis äußerst bissig. Wir erfahren im Handumdrehen fast alles über ihre Kollegen. Da ist der sympathische Rechtsmediziner Wahlberg, der „permanent nach Knoblauch“ stinkt und „so viel Feingefühl wie meine Klobürste“ besitzt, wie Jessica Burmeister im Rausch philosophiert. Der alte Chef Oertel hingegen war „Winnetou und Papst zugleich, voller Edelmut und Nächstenliebe“. Und da ist der Computerexperte Teichert: „Hundertsiebzig Kilogramm wabernde Selbstüberschätzung“ oder auch Bollermann, der sich so sehr nach einer Schießerei sehnt. Illustre Gestalten. Und – wie die Handlung – „frei erfunden“, versichert die Autorin vorab.
Die Orte auf Rügen sind real –
wie die marode Polizeistation, die von Möwen angeblich rücklings überflogen wird, damit sie das Elend nicht sehen müssen. Sylvia Voigt beschreibt liebevoll die Natur im Nationalpark Jasmund. Und auf dem Weg von Sassnitz nach Stralsund lässt sie die Kommissarin nachdenklich durch eine Allee fahren, „die von prächtigen alten Bäumen gesäumt ist, und ich hoffe, dass niemand auf die Idee kommt, sie vor ihrer Zeit zu fällen“, schreibt Sylvia Voigt weiter. Dieser Satz müsste schon für die nächste Auflage überarbeitet werden, denn an der B96 regiert jetzt die Motorsäge für die von langer Hand geplante Straßenverbreiterung. . .
Mir gefällt der lockere Stil der Autorin, ihre Beobachtungsgabe, der schwarze Humor, die kritische Sicht, die Charakterstudie der Kriminaloberkommissarin Jessica Burmeister, der man auch den Beinamen „Ostsee-Schimansky“ geben könnte und von der wir hoffentlich bald mehr lesen werden. Köstlich auch der beschriebene Generationenkonflikt zwischen den Polizeibeamten der alten Schule und den jungen, dynamischen Mitarbeitern aus dem „Dittschitell-Zeitalter“. Kein Wunder also, dass sich die 1961 geborene Autorin im Nachspann bei ihrem Sohn Marcel für viele Tipps, Ratschläge und die meisten humorvollen Einlagen bedankt.
An dieser Stelle zu verraten, wie der Fall denn nun gelöst wurde, wäre kontraproduktiv. Lesen Sie selbst! Dann erfahren Sie auch, wie die neue Vorgesetzte von Jessica Burmeister heißt. ;0)
Der Taschenbuch-Kriminalroman „Rügener Abgründe“ von Sylvia Voigt ist im Schardt Verlag erschienen, hat 309 Seiten und kostet 12,80 Euro.
ISBN 978-3-89841-930-7
Die Autorin im Interview mit den Insel-Experten
Sylvia Voigt wurde 1961 in Karl-Marx-Stadt geboren und ist in Freiberg aufgewachsen. Seit 1990 ist sie Direktionssekretärin an der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. „Rügener Abgründe“ ist ihr Krimi-Debüt. Den Insel-Experten beantwortete sie ein paar Fragen.
Rügen ist der Tatort Ihres ersten Kriminalromans. Seit wann kennen Sie die Insel? Und was gefällt Ihnen hier? Wie ich weiß, hängen mehr als 20 Landschaftsaufnahmen von Rügen in Ihrem Büro!
Vor exakt fünf Jahren besuchte ich zum ersten Mal die Insel Rügen. Das ist also noch gar nicht so lange her. Anfang November schlug ich in Sassnitz auf! Nun ja – es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick (auf die Insel bezogen …). Rügen bietet landschaftlich alles: raue Küsten – sandige Strände – verträumte kleine Orte – malerische Dörfchen und und und. Die Insel hat so ihren ganz eigenen charmanten und unverwechselbaren Charakter, der einen immer wieder anzieht…
Mich beeindruckt die schroffe Küste mit den abgestürzten Baumriesen genauso wie der herrliche Sandstrand der Schaabe. Das besondere Flair des Stadthafens in Sassnitz hat es mir nicht weniger angetan wie die mondänen Orte Binz oder Sellin. Ich liebe es, wenn es richtig stürmt und die Wellen tosend auf das Land rollen. Und das ist zumindest in Sassnitz oft der Fall. Nichts ist für mich „schlimmer“, als eine glatte unbewegte Ostsee! Ich bin also nicht der geborene Schönwetter-Tourist. Je rauer der Sturm und die Brandung, umso besser!
In die Buchenwälder bin ich verliebt – sowohl im Herbst, wenn man die freigelegten Wurzelgeflechte sehen kann, als auch im Frühjahr – wenn das frische Grün in fast schon beängstigendem Kontrast zum leuchtenden Weiß der Kreidefelsen steht. Ich bin seither mindestens einmal im Jahr für zwei Wochen auf Rügen. Und wenn ich mal abtrünnig werde und mich für ein Ziel auf dem Festland entscheide, dann reicht es aber allemal für ein paar Tagesausflüge. Mittlerweile kenne ich mich relativ gut aus – ich bin schon einmal quer durchs Land geradelt und bis zum Kap Arkona gewandert. Außerdem muss ich ja beobachten, ob das hässliche Polizeigebäude in Sassnitz auch weiterhin so mausgrau bleibt …
Wieso mischt Kommissarin Burmeister ausgerechnet Sassnitz auf?
Ich bin mal ehrlich: Zunächst hatte ich den Handlungsort meines Romans in Freiberg angesiedelt. Ich wohne seit 50 Jahren hier und bin gar nicht auf die Idee gekommen, die Geschichte woanders spielen zu lassen, in Freiberg, Sachsen.
Das Manuskript, so habe ich gehört, landete dann in einer Literatur-Agentur in München. Und die Antwort sei positiv gewesen: Toll geschrieben – locker – flockig-super! Es kamen auch zwei ABER?!
Ja, sie hatten keine Kapazitäten mehr, um neue Autoren zu betreuen. Und wieso war Freiberg Handlungsort? Ausgerechnet Sachsen – das doch weiß Gott keine Touristenhochburg wäre… Da würde ich nie einen Verlag finden. Man empfahl mir, den Handlungsort zu verlegen. Ich sollte doch eine Gegend wählen, die man in der ganzen Bundesrepublik kennt und die ich vorzugsweise auch gut kennen würde – sozusagen meine zweite Heimat… und das Manuskript dementsprechend umschreiben. Dann hätte ich große Chancen…
Kurz und gut: ich befolgte diesen Rat. Statt durch die Gassen der Freiberger Innenstadt radelt die Burmeister nun durch Sassnitz. Als „Wiedergutmachung“ an die Freiberger (die durchaus über ein gewisses Maß an Lokalpatriotismus verfügen) wurde Andy Bollermann einer der ihren. Das ist der Grund, warum auf meinem Inselkrimi ein Sachse zum Zug kommt… Und warum ich explizit die TU Bergakademie Freiberg und die schönste Mineraliensammlung der Welt – die terra mineralia – erwähne.
Es meldeten sich einige Verlage. Der Schardt Verlag in Oldenburg signalisierte großes Interesse und war sofort bereit, sowohl ein Taschenbuch als auch ein E-Book auf den Markt zu bringen. Wir waren uns ganz schnell einig – und das Ergebnis sind nun die „Rügener Abgründe“.
Vielen Dank, wir würden uns sehr freuen, Sie eines Tages zu einer Lesung auf Rügen begrüßen zu dürfen.
Im Mai bin ich in Sassnitz zu einer Lesung. Der Termin steht aber noch nicht fest.
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