Das königlich preußische Amtsgericht zu Bergen auf Rügen (Teil 1 von 2)
Der Spruch „Friede ernährt – Unfriede verzehrt“steht seit 1903 in Holz gemeißelt und von Eichenlaub umkränzt über dem Eingangsportal des Amtsgerichts zu Bergen auf Rügen. Zwei erhabene Gebäude sind für die rügensche und Rechtsgeschichte der Stadt Bergen von Bedeutung. Eingangs des Marktes liegt die „Alte Landvogtei“. Hier residierten ursprünglich die rügenschen Landvögte, die auch die hohe Gerichtsbarkeit ausübten. In den Gewölbekammern befanden sich Gefängniszellen. Ende des 19. Jahrhunderts war sie dann Sitz der Möbelwerkstättenstätten des Senators Freese und heute beherbergt sie das Sagen- und Märchenhotel der Familie Mehlberg.
Die Landvogtei am Markt verlor ihre Bedeutung als 1806 der Status als Rechtsbehörde aufgehoben wurde. An ihrer Stelle errichtete die schwedische Krone ein Amtsgericht. Der letzte Landvogt war der 1780 in Bohlendorf auf Wittow geborene Carl Ludwig Adolph von Bohlen (1780-1850). Er war Jurist und erlangte die Doktorwürde. Bis zu der Amtsübernahme als Landvogt 1805 in der Nachfolge des Landvogtes Carl Friedrich Gerhard von Usedom (1762-1813) arbeitete er als Prokurist am königlichen Tribunal in Greifswald. Mit Errichtung des Amtsgerichts wurde von Bohlen der erste Amtsrichter und 1811 zum Präses der mittlerweile zum Kreisgericht erhobenen Institution ernannt.Von Bohlen blieb bis 1831 Kreisrichter und danach Beisitzer am Königlichen Oberappellationsgericht in Greifswald. Hier erhielt er den Titel eines Königlich Preußischen Geheimen Justizrates. 1839 wurde er zum Präsidenten des Geistlichen Konsistoriums in Greifswald gewählt. 1848 beendete er als Oberappellationsgerichtsrat seine Amtstätigkeit.
In seiner privaten Ära befasste er sich als Hobbybotaniker mit der Blumenzucht. Mit dem Wiener Kongress von 1815 wurde Schwedisch – Pommern dem preußischen Königreich zugeschlagen. Hier wurde die monarchistische Neuordnung nach den Napoleonischen Befreiungskriegen festgelegt. Karl Friedrich Schinkel( 1781-1841), der große preußische Baumeister des Klassizismus nunmehr preußischer Landesbaudirektor, weilte dienstlich am 3. August 1835 in Bergen auf Rügen. Es ging um den Neubau eines Amtsgerichtes mit Wohn-, Verwaltungs- und Gefängnistrakts. Ausführlich habe ich über das Wirken Schinkels in den Stadtbotenausgaben Nr. 124-126 geschrieben. Der Standort befindet sich in der heutigen Schulstraße. Verantwortlich für den Neubau zeichnete der Bauinspector Pieper.
Eine Kuriosität wurde während der Erdarbeiten an den Fundamenten entdeckt.
Die Bauarbeiter fanden einen unterirdischen Gang, der in Richtung Kloster führte. Dieser war mit Feldsteinen gesetzt und durch eine mit Eisen beschlagende Tür verschlossen. Warum man die Spuren nicht weiter verfolgte, geht aus dem Bericht vom 15. Februar 1871 nicht hervor. Auch über den Verbleib der Fundstücke ist nichts bekannt.
Ab Juli 1839 wurde das fertig gebaute Kreisgericht bezogen. Der Kreisrichter, ein Kreisjustiziar, zwei Sekretäre, ein Kanzleiassistent und zwei Gerichtsboten übten die Gerichtsbarkeit aus. Zusätzlich wurden noch zwei Assessoren eingestellt. Gleichzeitig schrieb das Stralsunder Journal „Sundine“ 1840, dass die Herrschaften zu Putbus und Spycker eine eigene Gerichtsbarkeit ins Leben riefen. Diese wurde durch einen Justizamtmann verwaltet. So hatten die Fürsten zu Putbus ihre eigene Jurisdiction. Die „Criminal- Gerichtsbarkeit“ wurde durch die vier Seestädte in eigener Gerichtsbarkeit ausgeübt. In den weiteren Städten und auf dem Lande waren die Kreisgerichte zuständig. Eine Besonderheit betraf „Ehesachen“. Hier war das königliche Konsistorium in Greifswald zuständig . Die Hansestadt Stralsund bildete hier eine Ausnahme, denn das geistige Konsistorium nahm sich der Fälle ihrer Bürger an. Im preußischen Neu-Vorpommern und Rügen galt noch 1815 das Halsgericht von Kaiser Karl V. aus dem Jahre 1532. Die Kreisgerichte im preußischen Staat führten nach der Neuordnung „ordentliche Kriminalprozesse vor versammelten Gericht“ durch und es gab mündliche Hauptverhandlungen. Jedoch hielt das Gericht ebenfalls außerhalb von Bergen Gerichtstage ab. So z.B. auf Wittow. Dazu wurden oft Gasträume angemietet.
Als Kreisdirektoren wirkten von 1840 bis 1843 Karl August Langemak,von 1844 bis1851 Amadeus Odebrecht und von 1852-1865 Carl Adolph von Eckenbrecher. Das Bergener Kreisgericht war manchmal Karriere-sprungbrett für Assessoren, wie im Falle von Berthold D. Delbrück(1817-1868). Der spätere Kreisgerichtsdirektor wohnte mehrere Jahre auf dem ehemaligen Eckfeldtschen Grundstück in der oberen Dammstraße. Dort gebar ihm seine Frau Laura Pauline, geborene von Henning die Söhne Hans (1848-1929), ein späterer geachteter Historiker, und Max (1850-1919) , ein später berühmter Agrarwissenschaftler.
Wie stellte sich nun aber das neu erbaute Königliche Kreisgericht dar.
Der Standort galt im Gegensatz zur „Alten Landvogtei“ als abgelegen. Es gibt exakte Aufzeichnungen über die Nutzung aus dem Jahre 1862. Es war als Geschäftsgebäude mit Gefangenenanstalt an der Todtenstraße gelegen deklariert und wurde in den Jahren 1838 bis 1839 erbaut. Das Grundstück maß 71,5 Quadratruthen (Quadratruthe =19,26544m²,1 Fuß=313,85mm). Ein Innenhof diente als Gefangenenhof und ein weiterer als Ökonomiehof. Der Gefangenenhof war von zwei 9 Fuß hohen Mauern umgeben. Ein Bretterzaun trennte den Wirtschaftshof ab. Norden und Westen wurden ebenfalls durch Bretterzäune eingegrenzt. Zur Straße gab es einen 13 Fuß hohen doppelten Torweg. Auf beiden Höfen gab es jeweils einen Abtritt aus Tannenholz und Fachwerk mit Füllungen aus gebrannten Steinen.Weiter gab es eine ausgemauerte Dunggrube. Auf dem Ökonomiehof wurde aus Fachwerk ein Stall erbaut, mit Kuh- und Schweinestall, zwei Holzställen und einem Raum im Dachgeschoss. Das Hauptgebäude hatte im Kellergeschoss eine Küche, eine Speisekammer, einen Korridor und vier gewölbte Keller-zimmer für Brennstoffe und Vorräte. Der erste Stock bestand aus einem kleinen Flur und einem kleinen und einem großen Korridor, weiter zwei Stuben für den Gefangenenwärter und sechs Gefängniszellen bis 24 Insassen, sowie drei Geschäftsbüros. Die zweite Etage war geprägt durch eine Vorhalle, eine Vorhalle mit Botenmeisterei, das Direktorial-zimmer,drei Sitzungszimmer das Büro der Staatsanwaltschaft und das Kriminalbüro. Das Dachgeschoss diente als Arbeitssaal für die Gefangenen und als Archiv. Desweiteren gab es im 1. Stock eine Wohnung, Sie bestand aus zwei Stuben, einer Küche, einer Speisekammer und Nebengelass im Bodenraum und im Keller. Diese Wohnung war zu der Zeit dem Gefangenenwärter Zingler für 20 Reichstaler im Jahr überlassen. Die Darstellung wurde am 7. März durch den damaligen Kreisgerichtsdirektor von Eckenbrecher unterzeichnet.
Inselexperten-Tipp:
Der Autor Uwe Hinz bietet außerdem regelmäßig Stadtführungen in Bergen auf Rügen an:
“Mit Ihrem magister historicus das historische Bergen entdecken”
Ein Streifzug durch unsere Kultur-, Natur-, Architektur- und Kunstgeschichte
Mittwochs (vom 01. April bis 30.September) um 10.30 Uhr
Treffpunkt ist der Platz „ Am Goldener Brinken“ (obere Bahnhofstrasse an der Billroth –Eiche)
ab 2 Personen pro Pers. 10,00 EURO
Dauer ca. 120 Minuten
Individuelle Führungen zu anderen Tagen und Zeiten das ganze Jahr über gern nach Absprache.
Donnerstags (bis Ende September) Kirchen- und Klosterarealführungen von 11.30 – 12.30 Uhr (5 Euro pro Person)
melden am Informationsstand in der Kirche St. Marien
Kontakt: firma-hinz@web.de oder telefonisch unter 03838 252808 (oder abends unter 03838 308485)
Buch-Tipp:
Unser Autor Herr Uwe Hinz kennt seine Geburts- und Heimatstadt Bergen wie seine Westentasche. Im Sutton-Verlag ist nun sein neues Bergen-Buch erschienen, in dem der Vorsitzende des Altstadtvereins die Inselhauptstadt mit historischen Foto-Raritäten und aktuellen Aufnahmen und mit informativen wie unterhaltsamen Texten vorstellt.
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