Der Garten der Freiheit


Der gebürtige Kieler studierte Geophysik und promovierte bevor er 1991 nach Rügen umzog. Dort baute er ein Vermessungsbüro auf. Als Freimaurer und Ritter war er am Aufbau der Logen in Putbus und Greifswald beteiligt. Nach dem Studium des Kriya Yoga... mehr

Revolutionsarchitektur und geistige Gartenkunst in Putbus auf Rügen.

Wer die ehemalige Residenzstadt Putbus zum ersten Mal durchwandelt, wird durch die sonderbare Architektur und den weitreichenden 75 ha großen Schlosspark in Erstaunen versetzt. Rügen ist sonst bekannt für seine mit Schilf gedeckten Häuser der alten Fischerdörfer oder die Bäderarchitektur der Kurorte entlang der wunderschönen Ostseestrände. Doch in Putbus begegnen wir auf einmal dem „Klassizismus“ und dem englischen Landschaftsgarten. Auch fehlt der eigentliche Innenstadtbereich mit der Fußgängerzone zum Einkaufs-Bummeln. Was war geschehen? Wo kommt dieser merkwürdige Baustil her?

Um das zu verstehen, müssen wir in den Zeitraum des Stadtgründers Wilhelm Malte Herr und Fürst zu Putbus zurückkehren. In der Zeit um das Jahr 1700 endete das finstere Mittelalter, in der Yogaphilosophie als Kali-Yuga bezeichnet. Die Menschheit erwacht zu einem neuen Bewusstsein und zu neuen Möglichkeiten. Damit einher geht ein Drang nach neuer Freiheit und dem Ausbruch aus der Versklavung von Körper und Geist. Doch alles braucht seine Zeit, bis sich so eine neue Ära durchsetzt. Da können schon einmal 100 Jahre vergehen. Dieser Wandel, der auf keinen Fall ein rein geistiger Vorgang, sondern sehr pragmatisch in der äußeren Welt nachzuvollziehen ist, wurde durch die hohe Unzufriedenheit der Menschen, den Machtmissbrauch und die Korruption der Regierungen ausgelöst. Erinnert uns das irgendwie an die heutige Zeit, obwohl seitdem fast 300 Jahre vergangen sind?

Was in der französischen Revolution gipfelte, fand bereits vorher seinen Ausdruck in der Revolutionsarchitektur. In unserem Fall wird die Barockarchitektur (1575 – 1770) durch den Klassizismus (1770 – 1840) abgelöst. Der Barock oder auch das „höfische Zeitalter“, das oftmals auch als „eitel“ bezeichnet wird, drückt dabei das korrumpierte Wesen des damaligen Höflings aus. Ganz anders und viel klarer steht dagegen der Klassizismus, der in England durch den Palladianismus seinen Höhepunkt erreicht. Dieser wird auch als Revolutionsarchitektur bezeichnet.

Die ehemalige vitruvianische nur „mechanische Kunst“ der Architektur wurde in dem Maße zur wahren Kunst, indem sie an der Wahrheit des Mathematischen partizipierte. Sie wurde damit selbst Wissenschaft. Die „Tugend“ bildete den Schlussstein aller Bemühungen um das Lebensideal des „Universalmenschen“ und die Kunst der Architektur einen der Wege, sie zu vollenden. Die musikalische Harmonielehre stellte dabei eines der wesentlichen Instrumente dar, die kosmische Harmonie in konkrete, mathematisch messbare Proportionen umzusetzen.

Für Palladio war das numerische Proportionssystem Ausdruck der kosmischen Harmonie und damit Wurzel absoluter Schönheit und Wahrheit im Kunstwerk, die Architektur umgekehrt ihr vollkommenes Abbild.

 

Der Freimaurerpark

Und dieses neue Weltbild setzte sich von der Architektur in der Landschaftsgestaltung fort. Ausgangspunkt war die Landschaftsmalerei, die jedoch immer nur einen Standpunkt zur Verfügung hat. Im neuen Landschaftspark sollten die Gartenbilder nun so angelegt sein, dass dieselben Gegenstände von möglichst vielen verschiedenen Standpunkten aus zu geschlossen Bildkompositionen zusammenwachsen. Die Wegeführung soll diese optimalen Standpunkte zwanglos und dem „Geist des Ortes“ entsprechend verbinden. Eine Führungslinie der Wege als „circuit“ war geeignet, die richtige Abfolge im Sinne einer erlebnismäßigen Ganzheit vorzustrukturieren: Die kreisende Rückkehr zum Ausgangspunkt als selbst erlebte Heldenreise.

Diese Gartenrevolution hatte sich in England schon früh im 18. Jahrhundert ereignet. Bedeutsam war, dass die Aufklärung ihren Naturbegriff unlösbar mit dem neuen Freiheitsgedanken verband.

 

>> Wo Freiheit aus dem Naturrecht begründet wurde, konnte umgekehrt Natur selbst zum Freiheitssymbol werden. >>

 

Es gibt einige sehr markante Merkmale, an denen wir einen englischen Landschaftsgarten erkennen können:

Geländemodellierungen, geschwungene Wegeführung, wechselnde Szenen, weite Rasenflächen, kaum Blumen, eher Busch- und Baumgruppen in freiem Gelände, Seen und Teiche mit natürlich erscheinenden Uferzonen, frei wachsende Bäume und Sträucher unter Einbeziehung auch von Exemplaren anderer Kontinente, Sichtachsen mit Blickfang oder andere Sichtbeziehungen, eindrucksvolle Alleen und Wasseranlagen mit Brücken in eher schlichter Darstellung. Ein Rundweg oder „circuit walk“ sollte die Einheit und Geschlossenheit der Anlage garantieren. Ein umfassender Weg oder „belt walk“ ist ein am Rande des Gartens entlangführender Weg, der den Blick auf das Innere lenkt. In Landschaftsgärten sind zudem „als Vermittler geschichtlicher Assoziationen“ Staffagebauten in historische und exotische Stilgewänder gekleidet.

Da nun die meisten Gutsbesitzer, Architekten und auch Gartenbauarchitekten im 18. Jahrhundert Mitglieder in Freimaurer-Logen waren, ergab sich daraus ein direkter Einfluss der Symbolik und der Rituale aus diesen Geheimkreisen in die Architektur und Landschaftsgestaltung hinein. Eine neue Art von Landschaftspark war entstanden, der „Freimaurergarten“.

Reinhardt (1988) bemerkte dazu: „Die Bauanlagen, die sich vielleicht am deutlichsten als freimaurerische zu erkennen geben, sind solche Gärten und Gartenstaffagen, in denen Logenrituale eine materielle Form gefunden haben. Die Bedeutung der einzelnen Initiationsschritte, das Durchlaufen eines Weges, auf dem Prüfungen zu bestehen waren und der Aspirant durch Feuer (Geist) und Wasser geläutert wurde, ehe er Zutritt zum inneren Tempel und damit zum maurerischen Geheimnis erhielt, das sollte durch eine Vielzahl von Variationen verwirklicht werden.“

Die hier dargestellte „Lebensreise“ von der Tiefe bis zum Höhepunkt hat augenscheinlich Ähnlichkeit mit der freimaurerischen Vorstellung vom Aufstieg aus Unwissenheit und Einfalt über Prüfungen bis zum Höhepunkt der Weisheit.

Unser Fürst Wilhelm Malte bekam nun auf seinen zahlreichen Reisen durch Europa genau dieses Wissen vermittelt.

Er selbst war seit 1802 Johanniter Ritter und eng mit der Freimaurerei verbunden. Seine besten Architekten Karl Friedrich Schinkel und Johann Gottfried Steinmeyer waren ebenso Freimaurer und lebten auch die neue „moralische Architektur“, die in Preußen durch die großen Lehrmeister Friedrich Becherer und Friedrich Gilly (beides Freimaurer und Revolutionsarchitekten) weitergegeben wurde.

Auf seinen Englandreisen nach Bath 1805 und 1823 lernte der Fürst die Besonderheiten des Palladianismus kennen und ließ zahlreiche Gebäude in diesem neuen Baustil errichten oder umgestalten. Zu nennen sind hier das Badehaus, der Marstall, das Theater, das Putbusser Schloss oder auch das Pädagogium.

Große Sorgfalt legte er auf die Umgestaltung des 1725 angelegten Barock-Gartens zu einem ca. 75 ha großen englischen Landschaftspark. Die oben beschriebenen Kriterien treffen allesamt für diese einmalige Parkanlage zu. Überwiegend noch erhalten sind die alten Solitäre aus der ganzen Welt vom chinesischen Ginkgo über die japanischen Tannen bis hin zu den kalifornischen Mammuts.

Betrachten wir die Wegegestaltung etwas genauer, so haben wir sowohl einen „belt-walk“ entlang der Alleestraße als auch einen „circuit-walk“ um den Schwanenteich herum und durch den übrigen Park. Die alten Sichtachsen sind heute durch Wildwuchs nicht immer einwandfrei zu erkennen.

Eindrucksvolle Gebäude wie das achteckige Fasanenhaus, das Affenhaus und die alte Schmiede sind heute nur noch als Ruine oder im umgebauten Zustand zu besichtigen. Zudem gibt es klare Anzeichen für eine Nutzung als Freimaurergarten, die jeder Besucher selbst erleben sollte. Hierzu bieten wir Führungen und Seminare an (www.schlosspark-putbus.com).

Zusammenfassend kann nun gesagt werden, dass sich hinter dem zu Beginn des Artikels genannten „sonderbaren“ Aussehen von Putbus eine Magie versteckt, die dem Eingeweihten nicht verborgen bleibt. Doch auch der Profane kann ohne spezielle Kenntnisse die ausgestrahlten Energien dieses einmaligen Ensembles auf seine Seele wirken lassen. Damit wäre der Zweck dieser Bauweise erfüllt:

>> Die Stadt Putbus soll dem Menschen mit Hilfe der Natur und der Architektur einen Weg zur inneren Ruhe geben, um die eigene Freiheit zu erreichen. Die dabei auftretende Strenge der Linienführung dient der moralischen Stütze und kann besonders heute – in diesen stürmischen Zeiten mit schier endlosen Möglichkeiten der Verlockungen – als Wegweiser für die eigene Weisheit genutzt werden. <<      

 

Termine und Aktuelles hierzu finden Sie unter:   www.schlosspark-putbus.com und www.rambarts.de

Fragen zu diesem Thema bitte an:   rambarts@web.de

 

Literaturhinweise für wichtige Textpassagen:

Adrian von Buttler, Der englische Landsitz 1715 – 1760, Symbol eines liberalen Weltentwurfs

 

Gisela Thieje, Der Gottorfer Prinz Peter Friedrich Ludwig, seine Englandreise (1775/17776) und ihre Bedeutung für den Eutiner Schlossgarten


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