„Lasst uns heute die beste Vorstellung spielen, die wir je gemacht haben“, sagt Bastian Semm allabendlich zu den Statisten, bevor er als Klaus Störtebeker auf seinem schwarzen Friesenhengst durch den Kunstnebel auf die Bühne am Großen Jasmunder Bodden reitet. Diesen Satz wird er auch in seinem vierten Störti-Jahr sagen. Die Neulinge in der Piratencrew, die 2016 dazugestoßen sind, haben inzwischen ihr „Greenhorngrillen“ absolviert, ihren Einstand gegeben. „Ich bin zwar nicht mehr der Neue hier im Team, aber es fühlt sich noch immer alles so frisch und aufregend an“, erzählt Bastian Semm in einer Probenpause.
„Auf Leben und Tod“ heißt die neue Inszenierung, die am 18. Juni in Ralswiek Premiere feiert. „So eine Premiere hat eine ungeheure Energie“, weiß er nur zu gut. Spannung liegt in der Luft, auch Aufregung, aber die darf nicht Überhand nehmen, sonst überträgt sich das auf die Pferde. „Adrenalin ist furchtbar, macht aber auch Spaß“, sagt er und lacht.
Als Stammzuschauer wird man spüren, dass der Seeräuber mit den Jahren gereift ist, dass sich sein Charakter verändert hat. Diesen Entwicklungsweg des jungen Mannes hin zum Piratenhauptmann aufzuzeigen sei eine schauspielerische Herausforderung, der sich Bastian Semm gern stellt.
Die Proben und die Restarbeiten beim Bühnenbau liefen auch in diesem Jahr parallel. Hier ein paar Einblicke – zwei Wochen zurück:
Farbe für die Marienburg
Die Probepause von Bastian Semm ist vorbei. Die nächste Szene wird vorbereitet. Und die Kulissenmaler sind noch dabei, den Kunststoffziegeln der Marienburg den letzten „Schliff“ zu geben. Da müssen Fugen gemalt werden und die Backsteine eine leichte Patina bekommen. Irina Schatz ist Theatermalerin aus Dresden. „Hier zu arbeiten macht großen Spaß, aber das Licht ist nicht so berechenbar wie im Malsaal am Theater. „Am Tag wirken die Farben auf der Freilichtbühne ganz anders als im Scheinwerferlicht“, sagt Kulissenmaler Georg Kurze, der auch schon auf der Felsenbühne Rathen gearbeitet hat. „Diese Lichtstimmungen müssen bedacht werden und auch die Distanz, aus der die Zuschauer unsere kleinen und großen Kulissen sehen.“
Kapitäne auf Pulverfässern
Am Störtebekerhafen unterhalb der Bühne liegen die Piratenkoggen fest vertäut. Die Schiffsbesatzungen wienern die Decks, machen kleinere Ausbesserungen, richten die Netze, die wie Segel aussehen und bei starkem Wind auch wie Segel wirken. Helmut Witt, Dieter und Klaus-Jürgen Görge und Jörg Jüptner sind „alte Hasen“ bei Störtebeker, alle über 70 Jahre alt, ehemalige Fischer und Seeleute. Sie sind mit allen Wassern gewaschene Seebären, die jeden Abend auf Elisabeth vom Leitstand hören. Sie gibt die Kommandos, wann welche Kogge auf dieser oder jener Position zu sein hat.
Bei den See-Gefechten geht es besonders heiß her. Da wird geschossen, was die Bordkanonen so hergeben. „Ich habe auf jeder Seite drei Geschütze, weißt du, wie das ballert“, sagt der eher friedlich wirkende Kapitän Dieter Gögge (78).
„Der macht das schon.“
Während Klaus, der Pirat, auf der Bühne probt, ist Klaus, der Bau-Chef, hinter den Kulissen zu Gange: Klaus Tiedtke. „Der macht das schon“, hört man die Theaterleute immer wieder sagen. 20 Jahre hat der gelernte Bau- und Möbeltischler Dachstühle gezimmert, bis er 1997 bei den Seeräubern als Kulissenbauer anheuerte, eine Arbeit, die alles Andere als langweilig ist. „Denn Bühnenbilder kannst du nicht mit normalen Bauten vergleichen.“ Die Bühnenbilder, die Falk von Wangelin zeichnet und die Klaus Tiedtke mit seinem 15-köpfigen Team baut, haben es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Sie lassen sich auffahren wie ein riesiges 3-D-Bilderbuch, Mauern und ganze Gebäude fahren auf unsichtbaren Gleisen über die Bühne. Die Eisenbahngleise inklusive Schwellen mal eben um 90 Grad drehen? Eine 11 mal 6 Meter große, freitragende Bühnenplattform bauen? „Der macht das schon.“ Geht nicht, gibt’s nicht. Und fällt mal eine Burg nach einem Kartaunen-Angriff scheinbar in Schutt und Asche, erstrahlt sie zur nächsten Vorstellung wieder in altem Glanz. „Das Schöne ist, wir bauen alles selbst. Und ich darf mit dem Förster mit dem Jeep in den Wald fahren und die Bäume aussuchen, aus denen im eigenen Sägewerk Bretter oder Balken werden. 240 Festmeter Rundholz waren es allein im Jahr 2016.
Da kann man nur sagen: Klopf auf Holz und toi, toi toi!
Die Inselexperten wünschen der Piraten-Crew um Klaus Störtebeker eine erfolgreiche Saison 2016.
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