Mein Kraftplatz: die Süntelbuchen 


Natalie Schlemper ist in ihrem Leben viel gereist und dann auf Rügen angekommen. Die Insel mit ihren vielen unterschiedlichen Naturlandschaften, Sehnsuchtsorten und Kuriositäten hat ihren Entdeckergeist in den Bann gezogen. Von einigen Einsichten in das Inselleben wird sie hier berichten.

Rügen hat viele Orte in der Natur an denen man sich sammeln, besinnen und Kraft schöpfen kann. Dieser ist immer wieder ganz besonders für mich, deshalb habe ich die ehrliche Bitte an Sie, sich respektvoll dort zu verhalten. Gemeint ist der Hexenwald, auch Süntelbuchen oder Krüppelbuchen genannt– keine schönen Bezeichnungen für einen Ort, den ich lieber „lebende Basilika“ oder „tanzende Bäume“ nennen würde.

In dem Waldpark Semper, kurz hinter Lietzow (Richtung Sassnitz auf der linken Seite) führt ein gut begehbarer, ausgeschilderter Waldweg zunächst über eine Rhododendron-Allee in den Buchenwald. Übrigens sehr zu empfehlen zur Blütezeit im Mai, weil man dann zwischen lila Blütenwänden entlang geht!

Ein kleiner Pfad biegt dann rechts in den Wald ab, er ist gut ausgeschildert und eigentlich nicht zu verfehlen. Vorbei an einem alten kleinen Wasserturm aus Feldsteinen, der an eine mittelalterliche Burgruine erinnert, geht man direkt auf die Süntelbuchen zu.

Man kommt auf eine Lichtung im Buchenwald, in deren Mitte eine niedrigere Baumgruppe steht.
Die Stämme dieser Buchen sind gewunden wie in einer bizarr tanzenden Bewegung, die nur für einen Moment angehalten zu sein scheint. Die langen, verschnörkelt gewachsenen Äste sind ineinander verwoben und bilden, sobald sie belaubt sind, eine perfekte Kuppel. Die Atmosphäre darin ist angenehm, behütet und von einer fröhlichen Stille.

Respektvoll stehen ihre viel höheren Verwandten in einem kleinen Abstand um sie herum, als würden sie den Süntelbuchen den nötigen Platz einräumen, um sie vor der harten Lichtkonkurrenz eines Buchenwaldes zu beschützen.

Auf der Lichtung davor steht eine kleine verwitterte Holzbank, auf der man seinen Alltags-Ballast mal ablegen kann bevor man durch den schmalen Eingang in das geheimnisvolle Blätterdach eintritt. Sofern Sie nicht bei der Seenotrettung, der Feuerwehr oder diensthabender Notarzt sind dürfen Sie auch ruhig mal Ihr Handy zurück lassen, um sich ganz frei auf einen der gewundenen Stämme setzen zu können. Es atmet sich hier leichter, und wenn man jenseits der Hintergrund-Akustik pfiffiger WhatsApp Nachrichten sein Ohr an den Stamm legt, dann kann man etwas lange Vergessenes hören – die innere Stille. Beim Hochsehen fällt einem auf, dass bestimmte Äste sich verzweigt haben, um dann wieder zusammen zu wachsen. Auch scheinen einige der Äste nach vielen seltsamen Richtungswechseln in ihrem Wachstum wiederum in einen anderen Stamm zu münden. Die Gemeinschaft der Bäume wirkt hier so zusammengehörig, dass man meinen möchte, das ganze Ensemble wäre ein einziges Wesen. Die Atmosphäre darin ist geprägt von einem Gefühl der Ruhe, und selbst der größte „Muggel“ kann hier eine Begeisterung für die Einzigartigkeit der Natur empfinden. Sollte ein Spaziergang Sie einmal an diese besondere Stelle führen, dann kann ich Ihnen wirklich empfehlen, sich für einen Moment auf etwas Achtsamkeit einzulassen.

Falls Sie dabei versehentlich ein paar Alltagssorgen, etwas Groll oder ein bisschen Kummer auf der alten Holzbank vor dem Eingang liegen lassen, werde ich es Ihnen sicher nicht nachschicken. Es kompostiert dort ziemlich schnell, ökologisch verträglich und völlig rückstandsfrei – hab ich schon oft ausprobiert.



2 Kommentare

  • Ein wirklich toller Ausflugstip. Bin begeistert von dem interessanten Beitrag und werde heute noch dort vorbei sehen um Kraft zu tanken.

    • Natalie Schlemper

      Vielen Dank für die Anmerkung, die Redaktion wünscht einen energiereichen und kraftvollen Tag und viel Freude heute!