Schwäbische Romantik des 19. Jahrhunderts auf der Insel Rügen: Schlösschen Lietzow


Seit 1755 leben die Vorfahren von Uwe Hinz als Bürger in Bergen auf Rügen. Hier stand 1948 auch seine Wiege. Sein Interesse für Geschichte, Archäologie und die Bücherwelt sind Bestandteil seines Lebens. Der Kürschnermeister lebt und arbeitet mit seiner Frau... mehr

Der Lietzower Damm ist ein Stück technische Errungenschaft zum Ende des 19. Jahrhunderts. Mit dem Bau des Straßendammes und der Öffnung für den Verkehr am 27.Mai 1869 wurde eine klare Trennung zwischen dem Kleinen und dem Großen Jasmunder Bodden gezogen und eine neue wichtige Streckenführung übergeben.
Der Damm war bis 1935 durch eine Drehbrücke unterbrochen und so konnten die Lastkähne bis zu diesem Datum den Stadthafen von Bergen anlaufen. Der Hafen lag zwischen Buschvitz und Zittvitz. Mit diesem Datum war ebenfalls der Stadthafen von Bergen auf Rügen Geschichte.
Durch den Bau des Lietzower Dammes verlor auch die Bergener Königstraße ihre Bedeutung als „Via Regia“. Über diese Straße erreichte der Reisende Mönchgut, Jasmund und Wittow.
Zwar gab es zwischen dem Großen und dem Kleinen Jasmunder Bodden eine Furt. Diese war jedoch den kundigen Rüganern vorbehalten, denn es war stets eine riskante Überquerung. Der Weg über Bergen war immer der sichere Weg oder man nahm die Überfahrt mit der Lietzower Fähre. Hier wurde 1314 eine Fähre urkundlich erwähnt.

Fahren wir heute bequem aus Bergen kommend über den Damm, dann sehen wir auf bewaldeter Höhe ein kleines, weiß getünchtes Schlösschen liegen mit weit sichtbar markantem Turm.

Dieses mittelalterlich anmutende Schlösschen wurde allerding erst zwischen 1892 und 1893 im Auftrag des Eisenbahningenieur Bopp erbaut. Er war einer der Hauptverantwortlichen für den Bau des Lietzower Dammes.

Kurios ist allerdings, dass dieses Schlösschen eine Nachempfindung des Schlosses Lichtenstein bei Reutlingen auf der Schwäbischen Alb ist.

Dieses wurde im Zuge der romantischen Verklärung um 1839 auf den Ursprüngen einer mittelalterlichen Burg erbaut und im Stil der Neogotik im Auftrag des Herzogs von Urach 1842 eingeweiht.
Verantwortlich für diesen Schlossbau war allerdings die romantische Sage „Lichtenstein“ von Wilhelm Hauff(1802-1827 ), der der Schwäbischen Dichterschule angehörte. Inspiration war wohl das wilde schottische Hochland mit seinen Burgen und Unwegsamkeiten.
Hauff verlegte seine Sage „Lichtenstein“ ins beginnende 16. Jahrhundert. Ulrich von Württemberg wurde 1498 in den Herzogsstand erhoben und führte seit 1503 die alleinige Regentschaft.
Ein kurzer Einblick in die Sage möge die Würde der Landschaft in der Schwäbischen Alb unterstreichen: „Die Sonne war über die Berge herausgekommen, die Nebel fielen, Georg trat ans Fenster, die herrliche Aussicht zu genießen. Unter dem Felsen von Lichtenstein, wohl 300 Klafter tief, breitet sich ein liebliches Tal aus, begrenzt von waldigen Höhen, durchschnitten von einem eilenden Waldbach. Drei Dörfer liegen friedlich in der Tiefe.“
So ähnlich muss der Bauherr Bopp empfunden haben als er das erste Mal über die Zinnen seines rügenschen Schlösschens Lichtenstein in die Weite geschaut hat.
Baugeschichtlich im neogotischen Stil erbaut ist das rügensche Lichtenstein ein zweigeschossiger Putzbau mit einem Satteldach und Ziegeleindeckung. Die Front wird in einem Stufengiebel gestaltet.
Über mehrere Etagen gelangt man auf den mit Zinnen versehenen kleinen Bergfried.
Heute befindet sich das Schlösschen wieder in Privatbesitz.
Und von dort genießt der Betrachter um mit Wilhelm Hauffs Worten zu sprechen: „ Alle Farben und Schattierungen sind in diesem wundervollen Gewebe, das in lichtem Blau sich endlich mit der Morgenröte verschmilzt.“

So verbindet sich harmonisch unsere norddeutsche mit süddeutscher Kultur, eingebunden in tiefer Empfindsamkeit der Romantik.

Viel Freude beim Entdecken!
Ihr
Kürschnermeister Uwe Hinz

Fotos: Uwe Hinz

Inselexperten-Tipp:

Der Autor Uwe Hinz bietet außerdem regelmäßig Stadtführungen in Bergen auf Rügen an:

“Mit Ihrem magister historicus das historische Bergen entdecken”
Ein Streifzug durch unsere Kultur-, Natur-, Architektur- und Kunstgeschichte

Mittwochs (vom 01. April bis 30.September) um 10.30 Uhr
Treffpunkt ist der Platz „ Am Goldener Brinken“ (obere Bahnhofstrasse an der Billroth –Eiche)

ab 2 Personen pro Pers. 10,00 EURO
Dauer ca. 120 Minuten
Individuelle Führungen zu anderen Tagen und Zeiten das ganze Jahr über gern nach Absprache.

Donnerstags (bis Ende September) Kirchen- und Klosterarealführungen von 11.30 – 12.30 Uhr (5 Euro pro Person)
melden am Informationsstand in der Kirche St. Marien

Kontakt: firma-hinz@web.de oder telefonisch unter 03838 252808 (oder abends unter 03838 308485)


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