Der Dresdner Kreuzchor singt in Bergen


Berichte von Einheimischen.

Geistliche Chormusik aus fünf Jahrhunderten

Am Sonntag, den 12. Juli um 18:00 Uhr gastiert der weltberühmte Dresdner Kreuzchor unter der Leitung von Kreuzkantor Roderich Kreile in der St.-Marien-Kirche in Bergen. Auf dem Rügener Programm stehen sakrale Chorwerke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Für das Konzert gibt es nur noch vereinzelte Restkarten an der Abendkasse, die um 17:00 Uhr öffnet.

Wie kaum eine andere Gattung verbindet geistliche Chorliteratur die musikalische Praxis vom Mittelalter bis zur Jetzt-Zeit. Komponisten haben sich über die Jahrhunderte immer wieder musikalisch mit einer erhofften und gefürchteten göttlichen Instanz auseinandergesetzt. So komponierten in der traditionsreichen Bach-Familie gleich zwei Musiker eine Motette mit dem Titel „Fürchte dich nicht“: Johann Christoph Bach, der ab 1663 als Organist in Arnstadt und Eisenach wirkte und von dem nur wenige Werke überliefert sind, und Johann Sebastian Bach. Heinrich Schütz war vor seiner Zeit als Leitung der Dresdner Hofkapelle in Venedig bei Gabrieli in Lehre gegangen und übernahm einige der italienischen Stilmittel auch in seine sakrale Vokalmusik, die er hauptsächlich mit deutschen Bibeltexten versah. So entstammt der Text seiner sechsstimmigen Motette „Ich bin ein rechter Weinstock“ dem Johannes-Evangelium. Während seines Aufenthalts in Dresden schrieb er vermutlich das „Crucifixus“, das tief in den Traditionen der Renaissance und des Frühbarocks verwurzelt ist. Im kompositorischen Repertoire des jüdisch geborenen, aber später zum Christentum konvertierten Felix Mendelssohn Bartholdy  macht die Kirchenmusik einen wesentlichen Teil aus. Neben seinen großen Oratorien „Elias“ und „Paulus“ gehören dazu auch die drei vertonten Psalmen Nr.78, darunter „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“. Anton Bruckner komponierte neben seinen gewaltigen Sinfonien  auch bedeutende sakrale Werke, so etwa das Te Deum und drei große Messen. 1879 schrieb Bruckner die Motette „Os justi“, eine musikalische Lobpreisung „des Gerechten“, die in Form eines Zwischengesangs der römisch-katholischen Liturgie komponiert ist. Gottfried August Homilius gilt als Schüler Johann Sebastian Bachs und machte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen Namen als Komponist, Organist und Kantor in Dresden. Bereits zu Lebzeiten waren seine Vokalwerke beliebt, darunter auch die Motette „Turbabor“. Viele Komponisten widmeten sich in ihren sakralen Werken der Theodizee, also der Frage nach dem menschlichen Leid. Johannes Brahms setzte sich damit sowohl in seinem Deutschen Requiem als auch in der Motette „Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen?“ auseinander. Auch in der zeitgenössischen Musik beschäftigen sich viele Komponisten weiterhin mit dem Glauben, zum Beispiel der 2007 verstorbene, tschechische Komponist Petr Eben in seinem Antiphon „Ubi caritas et amor“.

Der Dresdner Kreuzchor ist einer der ältesten und berühmtesten Knabenchöre der Welt.

Auch nach fast 800 Jahren besteht seine wichtigste Aufgabe darin, die Vespern und Gottesdienste in der Kreuzkirche am Dresdner Altmarkt musikalisch zu gestalten. Über das  gesamte Kirchenjahr hinweg bestreitet der Kreuzchor die Hälfte aller liturgischen Dienste in dem berühmten Gotteshaus am Altmarkt. Gleichzeitig dient die Kreuzkirche als eindrucksvoller Veranstaltungsraum für die Chorkonzerte, die von bis zu 3000 Zuhörern besucht werden. Mehrmals im Jahr begibt sich der Dresdner Kreuzchor auf nationale und internationale Konzerttourneen über deutsche und europäische Grenzen hinaus bis nach Israel, Kanada, Japan, Südamerika und in die USA. Dazu kommen Auftritte bei internationalen Musikfestivals ebenso wie ungezählte Rundfunk- und Fernsehaufnahmen. Aufgrund seines breit gefächerten Repertoires über alle Epochengrenzen hinweg hat der Kreuzchor seit mehr als 80 Jahren über 800 Tonaufnahmen für so angesehene Plattenfirmen wie Deutsche Grammophon, Teldec, Capriccio und Berlin Classics eingesungen. Eine stete Zusammenarbeit wird mit Orchestern wie der Dresdner Philharmonie und der Sächsischen Staatskapelle Dresden sowie renommierten Opernhäusern gepflegt. Bis heute erlangen die Kruzianer ihr Abitur in der Kreuzschule; etwa die Hälfte von ihnen wohnt im benachbarten Alumnat, dem Internat des Chores. Neben dem normalen Schulalltag erhalten die etwa 150 Sänger im Alter zwischen neun und achtzehn Jahren wöchentlich Gesangs- und Instrumentalunterricht. Ihre tägliche Probenarbeit und der spezifische Chorklang bilden die Grundlage für den Erfolg und die Berühmtheit des Dresdner Kreuzchores. Roderich Kreile bekleidet seit 1997 das Amt des 28. Kreuzkantors nach der Reformation. Nach seinem Studium der Kirchenmusik und Chorleitung in München erlangte er als Kirchenmusiker schnell überregionale Aufmerksamkeit. Von 1989 bis 1996 unterrichte er an der Musikhochschule München. 1994 übernahm er außerdem die Leitung des Philharmonischen Chores München. Als Organist und Dozent folgte er Einladungen aus dem In- und Ausland. Als Leiter des Dresdner Kreuzchores obliegt Roderich Kreile auch die Funktion eines städtischen Intendanten. Er ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste, Stellvertretender Vorsitzender der Neuen Bachgesellschaft und Beiratsmitglied der Internationalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft.

Der Bau der St.-Marien-Kirche wurde um 1180 unter Jaromar I. als romanische Basilika mit Querschiff begonnen.
Ursprünglich war sie als Herrschaftskirche bestimmt, doch der Lehensfürst Jaromar musste seine Pläne ändern, um die dänischen Lehnsherrn nicht zu reizen. 1193 als Klosterkirche des Nonnenklosters Bergen geweiht, zählt die Kirche zu einem der frühesten Ziegelgebäude der Gegend, darüber hinaus ist es das älteste erhaltene Gebäude Rügens. Während der Ostteil romanisch ist, gehören Langschiff und Obergeschoß des Querbaus der Gotik an. Der wertvolle Wandmalerei-Zyklus mit biblischen Motiven im Chor und östlichen Querbau entstammt der Romanik. Ein Taufbecken aus dem 14. Jh. und die Barockkanzel von 1776 sind beachtenswerte Ausstattungsstücke. Der Altar stammt aus der Zeit um 1730, die Kronleuchter stammen aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die große Kirchenglocke stammt aus dem Jahre 1445 und hat am Hals in gotischer Minuskelschrift die Inschrift: „O, rex glorie, Christ, veni cum pace!“ („O Christus, König des Ruhmes, komm mit Frieden“.) In der Zeit von 1896 bis 1903 erfolgte die letzte große Restaurierung der Kirche. Dabei wurden auch die Wandmalereien restauriert und ergänzt, die nach der Reformation übermalt worden waren. Kurioses ist an der Nordseite des Turmes zu entdecken: Das Ziffernblatt der Kirchturmuhr ist seit der Restaurierung im Jahr 1985 in 61 Minuten unterteilt. 2004 wurde die Marienkirche in die „Europäische Route der Backsteingotik“ und 2005 in das Denkmalpflegeprogramm „National wertvolle Kulturdenkmäler“ aufgenommen.


Kommentare sind geschlossen.