Die Hügelgräber von Woorke und eine Zwergensage


Seit 1755 leben die Vorfahren von Uwe Hinz als Bürger in Bergen auf Rügen. Hier stand 1948 auch seine Wiege. Sein Interesse für Geschichte, Archäologie und die Bücherwelt sind Bestandteil seines Lebens. Der Kürschnermeister lebt und arbeitet mit seiner Frau... mehr

Einst führte die 1896 eröffnete Kleinbahnlinie von Bergen aus über Patzig, Woorke, Wittower Fähre bis nach Altenkrichen. Durch eine sanfte, flache Natur mit Äckern, Wiesen, Weiden und in der Ferne das Glitzern des Wassers, schnaufte sie von Gut zu Gut. Erst 1970 wurde sie aus „ökonomischen Gründen“ eingestellt. Noch heute können wir vielerorts die Bahntrasse verfolgen. So auch zwischen Patzig und Woorke.
Woorke wird aus dem slawischen Sprachgebrauch „Gorka“ abgeleitet und bedeutet so viel wie Berg oder auch Hügelchen. Die erste urkundliche Erwähnung datiert aus dem Jahre 1314 als „Goreke“. Der Ort war fürstlicher Besitz und dem Amtsackerwerk Gagern verpflichtet. Im 17.Jahrhundert bestand der Weiler Woorke aus 3 Bauernhöfen und einer Mühle. 1867 lebten in 15 Häusern 108 Menschen.

Majestätisch erheben sich zwischen Patzig und Woorke heute noch 13 Hügelgräber.

Sie zeugen von Besiedlungsspuren unserer Vorfahren und einer hohen Bestattungskultur. Über 560 Hügelgräber sind derzeit noch auf der Insel Rügen erhalten. Im 19. und 20.Jahrhundert wurden zahlreiche Hügelgräber durch eine sich ausweitende Landwirtschaft zerstört. Manche davon wurden geöffnet und die Grabbeigaben den Museen z.B. in Bergen und Stralsund übergeben. Vieles ging jedoch auch verloren.
Man geht davon aus, dass es über 18 Hügelgräber bei Woorke gab. Die noch vorhandenen 13 werden in die Zeit 88-1200 n. Chr. datiert. Sie haben im Schnitt eine Höhe von 6 m und einen Durchmesser von 30 m. Ausgrabungen Anfang des 19. Jahrhunderts brachten eine Trogmühle, ein Bronzeschwert, sowie Beigaben aus Bronze und Keramik zum Vorschein.

Eine große Mystik umgibt die Insel Rügen.
Und so erzählten sich die Einheimische ihre Erlebnisse, wenn sie beisammen saßen in den Krügen oder in den Spinnstuben. Bekannt sind die pommerschen Volkssagen von den Volkskundlern Temme von 1840 und Jahn von 1890. Dazu gehört ebenfalls der Bergener Volkskundler Professor Dr. Alfred Haas (1860-1950). Auch er hörte den Menschen zu und schrieb ihre Geschichten auf, die auf unsere Zeit als Sagen überkommen sind.
Haas veröffentlichte im Mai 1891 u.a. eine Sage, die sich zwischen Patzig und Woorke ereignet haben soll. Es geht um die Zwerge in den Patziger Bergen: Am Silvestertage muß jede Hausfrau den Herd bebacken; wo das nicht geschieht, „dor hebben de Unnerirdischen dat ganze Joahr dat Mitäten“. Ein Bauer aus Woorke war einst am Silvestertage nach Bergen zu Markte gefahren und kehrte spät abends von dort nach Hause zurück. Als er mitten zwischen den Patziger Heidebergen war, wo sich damals noch viele Hünengräber befanden, bemerkte er plötzlich zur rechten des Weges ein kleines Licht, das sich immer auf demselben Platze dicht über der Erde hin- und her bewegte. Er hielt still, um nachzusehen, was es damit für eine Bewandtnis habe. Als er einige Schritte näher herangetreten war, hörte er zwei feine Stimmen, die miteinander sprachen; sehen konnte er aber nur das Licht. Die eine Stimme fragte: „Ward äwerall backt?“ Die andere Stimme antwortete: „Ne, nich äwerall; bi den` und den`is keen Füer up`m Hird.“ Darauf erwiderte die erste Stimme: „Dat is man schön; dor känen wi denn dat ganze Joahr fri schlucken!“ Als der Bauer das hörte, rief er zornig: „Töwt man ees; ji Rackertüg! Juch will ick!“ Als er sich aber auf die kleinen Leute stürzen wollte, griff er in die leere Luft, und das Licht verschwand am Rande des nächsten Hünengrabes. Als der Bauer nach Hause kam, fragt er sogleich seine Frau: „Mudder, hest du all backt?“ und als sie die Frage verneinte, sprach er: „Denn gah man rasch bi! Und wenn du ook nicks wieder makst as Schiet und Dreck tosamrühren, äwer backen mötst du; süß hest du dat ganze Joahr de lütten Lüd to Gast.“
Seitdem wird in Patzig und Woorke und in der ganzen Umgebung am Silvestertage in jedem Haushalte gebacken, was vordem nicht immer geschehen wer.


So entwickelte sich aus mancher Geschichte ein Brauchtum und viele alteingesessene Rüganerinnen backen noch heute einen leckeren Kuchen und haben die Rezepturen und Fertigkeiten den nachfolgenden Generationen weiter vermittelt.

 

Fotos: Uwe Hinz

 

Inselexperten-Tipp:

Der Autor Uwe Hinz bietet außerdem regelmäßig Stadtführungen in Bergen auf Rügen an:

“Mit Ihrem magister historicus das historische Bergen entdecken”
Ein Streifzug durch unsere Kultur-, Natur-, Architektur- und Kunstgeschichte

Mittwochs (vom 01. April bis 30.September) um 10.30 Uhr
Treffpunkt ist der Platz „ Am Goldener Brinken“ (obere Bahnhofstrasse an der Billroth –Eiche)

ab 2 Personen pro Pers. 10,00 EURO
Dauer ca. 120 Minuten
Individuelle Führungen zu anderen Tagen und Zeiten das ganze Jahr über gern nach Absprache.

Donnerstags (bis Ende September) Kirchen- und Klosterarealführungen von 11.30 – 12.30 Uhr (5 Euro pro Person)
melden am Informationsstand in der Kirche St. Marien

Kontakt: firma-hinz@web.de oder telefonisch unter 03838 252808 (oder abends unter 03838 308485)

 

 

 


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