Mit der Industriealisierung im 19. Jahrhundert und dem Anschluss 1883 von Bergen an das Großbahnnetz Deutschlands setzten wiederum Veränderungen ein, wie der zunehmende Tourismus und wirtschaftlicher Aufschwung.
Der Markt erhielt 1862 an der Ostseite ein neues Rathaus mit einem „Deutschnationalen Museum“. Das Hotel „Zum Goldenen Adler“ und das „Deutsche Haus“ trugen der Besuchernachfrage Rechnung. Der Bau des neoklassizistischen Spalding- Jacobschen bürgerlichen Jungfrauenstiftes, dem nach 1913 der Jugendstil geprägte zweite Bau folgte, dominieren bis heute den Markt. Hier im Erdgeschoß befanden sich drei Geschäfte. Auf dem Schafsberg erbaute Uhrmachermeister Giesow sein in der Fassade prägendes Wohn- und Firmenhaus. 1891/92 erbaute Maurermeister Freese auf dem trocken gelegten Pfuhl das Reichspost-Gebäude, dem 1913 ein notwendiger Anbau folgte.
Gegenüber diesem errichteten die Bergener 1885 ein Denkmal mit der Victoria für die gefallenen rügenschen Männer der Kriege 1864, 1866 und 1870/71. Die „Jungkommunisten“ liquidierten das Denkmal nach 1945 als Symbol des Militarismus.
In einigen prägnanten bildlichen Darstellungen lassen die Veränderungen des Marktes bis zum heutigen Tag gut nachvollziehen.
Die Stralsunder Malerin Antonie Biel zeichnete um 1850 den Markt. Gut erkennbar sind die mehrstöckigen Fachwerkhäuser, die um den Markt stehen. In der Mitte befindet sich der sogenannte Marktscharren. Hier hatten die Fleischer ihre Stände. Außerdem fanden die Spritze und die Nachtwächter hier Quartier, ebenso eine Arrestzelle. Auf dem Markt stand der „Kaak“, der Schandpfahl zur Schaustellung von Verurteilten. Ende des 19. Jahrhundert wurde der Scharren abgetragen und an einen Maurer nach Sehlen verkauft. Dominant sehen wir hier noch den Marktpfuhl, der nicht nur für Löschwasser und als Viehtränke diente, sondern leider auch zur täglichen Abfallbeseitigung. Ein Ölgemälde aus dieser Zeit ist leider verschollen und nur in einer Fotographie erhalten.
Die Nationalsozialistische Ära nutzte den Platz für Ihre Aufmärsche und nannte den Markt in „Platz der SA“ um. Er war großflächig mit Kopfsteinpflaster und breiten Laufspuren belegt. Zur Zierde wurden Linden gepflanzt.
Zu DDR Zeiten, nach 1949 gab es mehrere Marktumgestaltungen.
Prägnant war stets der Kreisverkehr. Im Norden des Marktes befand sich ein kleiner eckiger Pavillon zum Aufenthalt für Reisende, denn hier befand sich ein Bußhaltepunkt. Der Markt wurde treu der sozialistischen Maxime in Karl – Marx- Platz umbenannt.
Zwischen dem Wohn- und Firmenhaus des Kürschnermeisters Werner Hinz (ab1956) und der Poliklinik legte die Stadt eine Naturoase mit einem Springbrunnen an. Zum Verweilen waren Bänke aufgestellt. Die Linden stehen heute immer noch. Jahre später gestaltete man den Brunnen um und eine Bronze in Form einer Marktfrau mit zwei Krügen unter den Armen, fand das Wohlgefallen der Besucher. Nach 1989 fiel sie über Nacht „Vandalismus“ zum Opfer und die Stadtverwaltung ließ die „Bergener gefallene Kunst“ sichern.
Eine vor einigen Jahren mehrheitlich beschlossene veränderte Gestaltungssatzung lässt heute noch mehr Spielraum für „Innovatives“ zu. Dabei geht oft historisch Gewachsenes verloren.
Seit über 25 Jahren ist eine Rückläufigkeit in der Geschäftsentwicklung gerade im Marktbereich zu verzeichnen. Positiv ist das neu erbaute Medien- und Informationszentrum (MIZ) für den Standort Bergen zu sehen. Mittlerweile, nur noch wenige Geschäfte und Gastronomie tangieren den Markt, dafür umso mehr Versicherungen, Immobilien, Büros, Verwaltungen und Banken. Diese Entwicklung ist leider nicht nur für Bergen symptomatisch.
Selbst wenn der Markt eine Neugestaltung in naher Zukunft erführe, wird er kaum mehr zum Flanieren einladen. Es fehlt das betriebsame Geschäftsleben in den Häusern um den Markt. Menschen ziehen Menschen an. Das ist eine alte Weisheit! Wo sich kaum Menschen aufhalten, kommen kaum welche hinzu!
Für Bergens Leben ist es nicht förderlich, wenn wir kaum Alternativen nach dem Wegfall historisch gewachsener Strukturen, wie den Kreisstatus, die Stadt als Handelszentrum für Rügen, e.t.c. aufzeigen können.
Eingekauft wird heute vermehrt im Internet oder in den anonymen Centern, meist auf der „Grünen Wiese“. Dabei sollte doch die Gemütlichkeit und Individualität das Bummeln fördern. Bergen bietet noch diese Vorzüge!
Bergen kann zu seinen Wurzeln zurückfinden und durch wahre Identität die Menschen mitnehmen und für sich einnehmen.
Es ist möglich! Das sind meine Erfahrungen mit den historischen Führungen als „Magister historicus“. Bergen wird durch den Besucher entdeckt und erfahren werden!
Es gibt auch für unsere Stadt einen Weg, den wir jedoch nur Hand in Hand beschreiten müssen. Der gemeinsame Vorteil wird zum eigenen Vorteil gereichen und nicht umgekehrt!
Bergen wird stets der geographische Mittelpunkt der Insel bleiben und es lohnt sich immer die Vielfalt dieser Stadt zu entdecken.
Nur dem gleichgültige oder desinteressierte Besucher wird „Die Stadt auf dem Berge“ keine Erfüllung bringen. Wer aber unvoreingenommen Bergen besucht wird von ihr angetan sein.
Bergen bietet Kultur und Kunst, zahlreiche kleine Geschäfte, wie es sie vielerorts nicht mehr gibt, eine breitgefächerte Kultur der Gastronomie, sportliche Betätigungsfelder, Ruhepole in der Stadt und in den Waldgebieten Raddas und Rugard, sowie am Nonnensee.
Übrigens war Bergen bis 1935 auch Hafenstadt!
Ist die Neugierde geweckt, dann sollte ein Anlaufpunkt für SIE Bergen auf Rügen sein!
Kürschnermeister Uwe Hinz
18528 Bergen auf Rügen, Pf.1224
firma-hinz@web.de
www.altstadtverein-bergen-auf-ruegen.de
Bibliographie:Rügern I/Manfred Niemeyer/ E.-M.- Arndt Universität Greifswald 2001,Bergen auf Rügen/Der Magistrat/ Verlag Deutscher Städte Hamburg 1928, Das Bürgerbuch der Stadt Bergen auf bRügen ab 1613,Geschichte der Stadt Bergen/ E. Steurich/ Verlag Walter Krohs Bergen auf, Beiträge zur Geschichte der Stadt Bergen auf Rügen/Dr.A. Haas, 350 Jahre Stadt Bergen 1613- 1963/ Stadt Bergen auf Rpügen,375 Jahre Stadt Bergen auf Rügen/ Rat der Stadt Bergen 1988, Beiträge der E.- M.- Arndt- Universität Greifswald Jg. XII 1963, Stralsunder Bilderhandschrift /H. Ewe, Das schöne Rügen/Herbert Ewe/Hinstorff- Verlag 1992, Archiv Kürschnermeister Uwe Hinz
Inselexperten-Tipp:
Der Autor Uwe Hinz bietet außerdem regelmäßig Stadtführungen in Bergen auf Rügen an:
“Mit Ihrem magister historicus das historische Bergen entdecken”
Ein Streifzug durch unsere Kultur-, Natur-, Architektur- und Kunstgeschichte
Mittwochs (vom 01. April bis 30.September) um 10.30 Uhr
Treffpunkt ist der Platz „ Am Goldener Brinken“ (obere Bahnhofstrasse an der Billroth –Eiche)
ab 2 Personen pro Pers. 10,00 EURO
Dauer ca. 120 Minuten
Individuelle Führungen zu anderen Tagen und Zeiten das ganze Jahr über gern nach Absprache.
Donnerstags (bis Ende September) Kirchen- und Klosterarealführungen von 11.30 – 12.30 Uhr (5 Euro pro Person)
melden am Informationsstand in der Kirche St. Marien
Kontakt: firma-hinz@web.de oder telefonisch unter 03838 252808 (oder abends unter 03838 308485)
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