Haben Sie Phantasie, dann begleiten Sie mich bitte auf den Spuren der Entwicklung des Marktes. Können Sie es sich vorstellen, dass der Marktflecken Gora noch nicht existierte und Sie erklimmen die etwa 70 Meter über den Meeresspiegel zum heutigen Markt und stehen auf der Höhe mit Blick in die Weite. Nach Osten, Süden und Westen ist das Land teilweise schroff bis mäßig abfallend.
Diese ungewöhnlich prägnante Landschaftsgestaltung, vor ca 10.000 Jahren entstanden, verdanken wir der letzten jüngsten Eiszeit (Würm- Eiszeit). Ein beredtes Beispiel für einen strategischen Standort mit der höchsten Erhebung dem Rugard (90 m. über den Meeresspiegel) sehen wir in dem Panoramagemälde von Karl Friedrich Schinkel von 1821 mit dem noch unbewaldeten Höhenzug. In einer Tagebuchaufzeichnung der Töchter dazu heißt es: Hier hat man nun die überraschendste und schönste Aussicht nach der offenen See…, Arkona ganz in der Ferne.
Wir gehen heute davon aus, dass sich am heutigen Goldenen Brinken ebenfalls eine kleine Siedlung befunden hat und weitere im Umfeld.
Uns soll nun wieder das Plateau interessieren. In der Nähe der Burg siedelten sich bereits in spätslawischer Zeit erste Handwerker und Krämer an.
Eine urkundliche Erwähnung datiert von 1232. 1250 sprach man bereits von diesem besiedelten Plateau, vom forum prinzipale, das die Bedeutung hervorhob.
Anderenorts nahmen Besiedlungen einen ähnlichen Lauf. Fürstliche Krüge waren wichtige Anlaufpunkte und Zollstellen.
So war es kaum verwunderlich, dass an einem so denkwürdigen Platz die Geschichte ihren Lauf nahm.
Der Herzog von Sachsen und Bayern Heinrich der Löwe, wie auch der Dänenkönig Waldemar I. wollten sich die rügenschen Ranen untertan machen und in die christliche Kultur integrieren. Die rügenschen Fürsten Jaromar und Tetzlaw waren beide im Juli 1163 bei der Weihe des Lübecker Dom zugegen. Das rügensche Fürstentum reichte territorial weit über die Insel hinaus. Nach 1128 zur Zeit des 2. Pommernfeldzuges Otto von Bambergs reichte das Fürstetum bis zum Fluß Ryck, Gützkow, Demmin, die lutizischen Gebiete (heute Uckermark) und dem Land um Triebssees.
Heinrich der Löwe konnte seine Option zur Eroberung des Ranenreiches nicht optimieren, da er ab 1158 in seiner Ostpolitik gegen den Obotriten-fürsten Niklot kämpfte.
Für den Dänenkönig Waldemar I. war die Eroberung des Ranenreiches eine Notwendigkeit um u.a. die Kriegs – und Beutefahrten zu unterbinden.
Er kam Heinrich dem Löwen zuvor und das rügensche Fürstentum kam unter dänische Hoheit und Jaromar I. wurde der erste christliche Fürst. Mit dem Niedergang der slawischen Priesterkaste gewann der Fürst mehr Einfluss in seinem Reich.
Der Standort des Burgwalls konnte für fürstliches Residieren als nicht sonderlich geeignet angesehen werden und so begann Jaromar an heutiger Stelle mit dem Bau seiner Pfalzkirche und den Wohngebäuden.
Beim Bau der Pfalz in Gora wird nicht nur das Wissen der dänischen Bauleute eingeflossen sein, sondern ebenso die der deutschen Bauleute. Als Beispiel können die beiden Aufgänge zur Empore gesehen werden.
Jaromar I. residierte ungebunden, hielt sich aber treu an die Vorgaben des dänischen Königs. 1189, nach dem Tode Bogislaws I., wurde Jaromar zum Vormund des jungen pommerschen Fürsten ernannt.
Sicherlich blieb der Verwaltungssitz des zuständigen Gardvogtes auf dem Rugard noch erhalten. Das belegte eine Urkunde Jaromar II. von 1258, die in Ruygart ausgestellt wurde. Es könnte aber auch eine Übernahme des Ortsnamens für den neuen Amtssitz gewesen sein. Die Vielfältigkeit der Ortsnamen lässt manchen Schluss zu.
Hier einige historische Beispiele für Bergen:
1242 Monte in Rvjua, 1278 erstmals Erwähnung als Berghe, 1283 Montibus, 1291 ecclesie montis, 1297 Berchten, 1310 monte Ruya, 1314 villa montis und erstmals finden wir 1331 die heutige Schreibweise Bergen. Anhand der Namen erkennen wir die Entwicklung dieses Gemeinwesens von der wendischen Siedlung zum deutschen Marktflecken.
Warum Jaromar I. die Bergener Pfalz nicht vollendete ist heute nicht mehr erkennbar. In der Regel waren es politische Beweggründe. Es könnte auch mit einer größeren weiteren Belehnung der Gebiete Treibsees und Wusterhusen zusammenhängen die der Fürst 1194 auf dem Hoftag zu Vordingborg für seine Treue zur dänischen Krone erhielt. Der Fürst übergab jedenfalls erst nach der Weihe der Kirche „Der heiligen Maria“ diese an das Kloster. 12 Nonnen aus dem Mutterkloster Roskilde waren zugegen als aus seinem Bistum der Bischof Peter von Roskilde die Kirche weihte. Ganz bewusst hatte Jaromar ein Nonnenkloster auserwählt, da sich der Wirkungskreis gegenüber einem Mönchskloster bewusst beschränkte. Die Aufgaben des Nonnenklosters bezogen sich auf gottesdienstliche Pflichten, Schreib – und Handarbeiten, die kulturelle Entwicklung, Hof – und Gartenarbeiten und die Repräsentanz der fürstlichen Hofhaltung. Eine Rolle spielte dabei wohl auch eine spätere Versorgung der Töchter des rügenschen Adels. Zuerst folgte das Kloster den Benediktinerregeln, ging dann zwischen 1200 und 1215 zu den Regeln der Zisterzienser über. Jaromar I. gründete ebenfalls das Mönchskloster Eldena bei Greifswald, welches das Kloster in Bergen mit betreute, visitierte und den Vater Abt stellte.
Kürschnermeister Uwe Hinz
18528 Bergen auf Rügen, Pf.1224
firma-hinz@web.de
www.altstadtverein-bergen-auf-ruegen.de
Inselexperten-Tipp:
Der Autor Uwe Hinz bietet außerdem regelmäßig Stadtführungen in Bergen auf Rügen an:
“Mit Ihrem magister historicus das historische Bergen entdecken”
Ein Streifzug durch unsere Kultur-, Natur-, Architektur- und Kunstgeschichte
Mittwochs (vom 01. April bis 30.September) um 10.30 Uhr
Treffpunkt ist der Platz „ Am Goldener Brinken“ (obere Bahnhofstrasse an der Billroth –Eiche)
ab 2 Personen pro Pers. 10,00 EURO
Dauer ca. 120 Minuten
Individuelle Führungen zu anderen Tagen und Zeiten das ganze Jahr über gern nach Absprache.
Donnerstags (bis Ende September) Kirchen- und Klosterarealführungen von 11.30 – 12.30 Uhr (5 Euro pro Person)
melden am Informationsstand in der Kirche St. Marien
Kontakt: firma-hinz@web.de oder telefonisch unter 03838 252808 (oder abends unter 03838 308485)
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