„Ich bin die Zwiebelkonfitüre von Seite 120“


Holger Vonberg ist gebürtiger und bekennender Rüganer. Sein Berufswunsch als Zweijähriger: „Urlauber Baabe“. Das hat nicht ganz geklappt. Ab 1991 war er als Journalist u. a. für den NDR, die OZ und den „Urlaubs-Lotsen“ auf der Insel unterwegs. Bis März... mehr

Das Rügen-Kochbuch mit Geschichten zum Lesen, Bildern zum Schmunzeln und Gerichten zum Nachkochen macht Appetit auf mehr. Es ist quadratisch, praktisch und nicht nur sehr gut, sondern auch überaus lecker und erschienen im Stralsunder Strandläufer Verlag. Im Sommer 2011 ist es auf sehr originelle Art und Weise vorgestellt worden. Bauer Lange in Lieschow hatte eingeladen:

Dicke, schwarze Wolken ziehen an diesem Abend über Westrügen. Die ausgetrockneten Pfützen füllen sich mit Wasser und Bauer Langes Scheunenbänke mit etwa 100 Besuchern. Hände werden geschüttelt. Es scheint, als würden sich alte Bekannte treffen. So ist es auch. „Ich bin doch die Zwiebelkonfitüre von Seite 120“, lacht Liesel Treder aus Prora und holt ein paar Gläser Marmelade aus ihrem Leinenbeutel.

Ein Glas ist für Birgit Vitense,
die Autorin aus Greifswald. Sie hatte sich auf Spurensuche begeben und beschreibt sehr nah, kurz und knackig die einzelnen Regionen der Insel, die sie durch ihre Arbeit als freie NDR-Fernsehjournalistin schon seit Jahren wie eine zweite Heimat kennt und mag. Sie besuchte Köche, Hotel- und Restaurantbesitzer, aber auch die nette Rentnerin von nebenan, den pensionierten Lehrer und Reiseleiter oder gar den Bürgermeister von Sellin. Sie hat Erinnerungen auch auf Hiddensee gesammelt. Birgit Vitense durfte am Kap Arkona ausnahmsweise im Kochbuch des legendären Leuchtturmwärters Eduard Schilling stöbern und verrät das Rezept seiner ganz einfachen Wassersuppe, wie er gefüllte Kohlrüben zauberte oder wie Eierkuchen mit Bückling zubereitet werden.

Sie war auch in Rügens ältester Kneipe,
im Schifferkrug von Kuhle. Dort hat ihr Ullrich Tredup damals das Rezept für „den besten Gulasch“ seines Lebens zum Besten gegeben. Das Geheimnis sei verraten: Er hatte einfach vergessen, am Abend den Gasherd ganz abzudrehen. So köchelte der große Topf die ganze Nacht so vor sich hin. Das sind sie, die kleinen Zutaten am Rande, die diesem Kleinod von Buch zusätzliche Würze verleihen.

Liesel Treder, die „Zwiebelkonfitüre von Seite 120“, schenkt auch Katrin Hoffmann ein Glas Marmelade. Eines von 250 bis 300, die sie Jahr für Jahr einkocht. „Ich selbst esse immer nur eine Sorte Gelee“, erzählt die Frau aus Prora. Bei Katrin Hoffmann ist das anders. Sie hat am heimischen Herd als Co-Autorin mit Neugier, Leidenschaft und Liebe ganz viele Rezepte ausprobiert und verkostet. Nach dem Erfolg ihres eigenen Stralsund-Kochbuches werde auch das Rügen-Kochbuch zu einem regionalen Bestseller, ist sich die Rezeptesammlerin sicher.

Zu Hause hat sie etwa 600 Kochbücher
und eine lose Sammlung von rund 30 000 Rezepten. „Ich bin immer wieder fasziniert, mit welch einfachen Zutaten schmackhafte und auch deftige Speisen schnell zubereitet werden können. Das ist wie der Weg zu den Wurzeln.“ Für sie gebe es kein besseres Lob als dieses: „Bei dir schmeckt es ja wie bei Muttern.“

Auch der Grafiker Harald Larisch wird von Liesel Treder dankbar mit einem Glas Marmelade bedacht, denn das Auge isst bekanntlich mit. Seine hintersinnigen, feinen, deftigen und lustvollen Illustrationen, die er in hellem Beige-Braun und mit einer Prise schwarzen Humors zu Papier gebracht hat, machen Appetit auf mehr. Er schafft mit seiner Kunst tatsächlich eine andere Erzähl-Ebene. „Ich wollte einfach mit der Ästhetik der Grafik die Vorfreude auf die Gerichte fördern“, sagt er mit einem vielsagenden und verschmitzten Lächeln. Er blättert im Buch und zeigt auf den langen, hageren Fischer, der Larischs Züge trägt, und auf den Protagonisten, den Fisch, der sich mal hier und mal da an dem Fischer rächt.

Genial: die zweideutigen Spiele mit Wort und Bild.
Köstlich: seine Makrele auf dem Strich und der Hecht, der hinter Gittern schmort. Oder der auf einem Pilz sitzende Teddy zum Gericht „Champignons mit Bärlauchfüllung“. Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Daran kann man sich einfach gar nicht satt genug sehen.

Von wegen, viele Köche verderben den Brei. Viele Köche haben hier ein wohltuendes, sehr geschmackvolles und edles Mehrgänge-Menü gezaubert. Eine sehr persönliche Liebeserklärung an die Insulaner und ihre Art zu leben, zu kochen und zu essen. Rügen und Hiddensee bitten zu Tisch!

 

Das Rügen-Kochbuch mit Geschichten und Rezepten von Rügen und Hiddensee ist im Strandläufer Verlag Stralsund erschienen, ist reich illustriert und bebildert, hat 256 Seiten und kostet 19,90 Euro.

ISBN 978-3-941093-09-6

 

Fotos: Holger Vonberg

 



2 Kommentare

  • Hallo,
    wir sind begeistert von euren tollen Berichten.
    Weiterso. Ab jetzt sind wir ständig bei euch Gast.
    Liebe Grüße aus Stedar
    Uwe und Birgit Timm