„Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee“


Holger Vonberg ist gebürtiger und bekennender Rüganer. Sein Berufswunsch als Zweijähriger: „Urlauber Baabe“. Das hat nicht ganz geklappt. Ab 1991 war er als Journalist u. a. für den NDR, die OZ und den „Urlaubs-Lotsen“ auf der Insel unterwegs. Bis März... mehr

Eine geballte Ladung Insel von Holger Teschke: lesenswert, informativ und amüsant.

Lesen Sie gern Gebrauchsanweisungen? Die für Rasenmäher, vollelektronische Eieruhren oder Handys? Die sind zwar unterhaltsam, wenn sie mit Übersetzungsprogrammen aus dem Chinesischen ins noch weniger verständliche und computer(de)generierte Deutsch zu Papier gebracht wurden. Lesbar sind diese Gebrauchsanweisungen selten, literarisch wertvoll schon gar nicht.

Ganz anders hingegen die „Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee“, erschienen im Piper Verlag München, ein herzerfrischendes Werk von Holger Teschke, von einem Rüganer, der einst zur See gefahren und heute Autor, Regisseur und Professor ist – ein „Welten-Wanderer“ zwischen Berlin, Sassnitz und Massachusetts.

Seine Gebrauchseinweisung reiht sich ein in die Kollektion diverser weiterer, in denen der Piper Verlag die Welt erklären lässt – nun auch endlich Rügen und Hiddensee neben Kathmandu, Moskau, Amerika, Umbrien und dem Vatikan.

Holger Teschkes Wurzeln reichen weit hinein in Rügens sagenumwobene Geschichte.
Das spürt der Leser, der ihn über die Insel begleiten darf, auf Schritt und Tritt. So tief wie die familiären Wurzeln, so tief ist auch Teschkes Liebe – vor allem zur Halbinsel Jasmund, wo er die Kindheit verbracht hat. „Mein Lieblingsweg“, so erzählt er am Telefon, „ist der durch den Nationalpark Jasmund. Zwischen Sassnitz und Lohme eröffnen sich auf dem Hochuferweg immer wieder neue phantastische Ausblicke. Ich habe schon viele Küsten gesehen, unsere ist die Schönste von allen.“ Wenn die Zeit es erlaubt, ist er mindestens einmal im Monat auf Rügen. „Mir würde sonst etwas fehlen.“

Für mich, der die Inseln so oder ähnlich erlebt hat und liebt, ist dieses Buch ein Kleinod, ein fantastisches Nachschlagewerk, wenn es um geschichtliche Zahlen und Zusammenhänge geht, eine unterhaltsame und oft auch überraschende Lektüre mit aktuellen Bezügen und fein formulierten Seitenhieben auf die große Politik und kleingeistige Gemeindefehden.

Für „Fremdlinge“, die mehr wissen wollen über die Insel, auf der sie ihren Urlaub planen oder ihn gerade verbringen, ist es ein Lesestoff, der dazu verführt, nach Rügen zu reisen, länger zu bleiben oder noch einmal diese Inselliebe aufzufrischen. Sie werden die Naturschönheiten und die Orte mit ganz anderen Augen sehen – aufmerksamer und gezielter über die Insel fahren und dabei öfter verweilen. Ich glaube, das schafft Holger Teschke mit diesem Buch, denn es liest sich leicht, so, als würde der Autor vor einem sitzen und die Geschichten erzählen.

Er spricht den Leser direkt an, erklärt die Geheimnisse und Sprüche des Plattdeutschen, plaudert über Kreide und Meer, über Piraten, Schlösser und Katen, stellt Bädervillen, Kraftkasernen und die Rügener Küche vor.
Er spricht von „uns“, wenn er die Rüganer erwähnt. Und er trägt sehr emotional weiter, was ihm die Mutter, die Großmutter, Tanten und Großtanten gezeigt und mit auf den Weg gegeben haben.

Er lässt auch das Lästern nicht, denn die Rüganer sind ein Völkchen für sich, die Hiddenseer erst recht. Sätze wie die folgenden sind wie leuchtende Bernsteine: „Bescheidwissen ist auf Rügen eine Sache, aber Bescheidsagen eine andere. “ Oder: „Mit dem Rauschen im Blätterwald Kasse zu machen, hat sich auf Rügen ebenso erhalten wie werbewirksame Schauermärchen.“ Und: „Wenn die Versprechungen, die den Rüganern . . . seit 1990 gemacht wurden, wahr wären, müsste jeder inzwischen zwei Arbeitsplätze haben.“

Und er lässt keinen Zweifel daran, dass wir wissen, wie der Hase läuft. „Denn im Grunde war es von der Christianisierung bis zur freien Marktwirtschaft immer dieselbe Nummer. Am Ende stand einer da und hielt die Hand auf, weil in den Landeskassen ständig Ebbe war.“

Holger Teschke gibt auch wertvolle Tipps, die sich Einheimische wie Gäste merken sollten, denn wer weiß schon, wie man sich verhält, wenn man einem toten Wal begegnet oder warum man die Finger lassen sollten von grünen und blauen Bernsteinen, die zu astronomischen Preisen angeboten werden. . .

Danke auch für die Literaturempfehlungen – von Ernst-Moritz Arndt und Elizabeth von Arnim über Cibulka, Fallada, Grümbke, Haas und Hauptmann, bis hin zu Wolfgang Rudolph und Dieter Zimmerling. In meinem Bücherregal hat Teschkes Buch genau dort seinen festen Platz gefunden.

In der „Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee“ steckt eine geballte Ladung Insel. Ein gelungener, ein großer Wurf.

Text, Fotos und Repros: Holger Vonberg

 

Teschke-Telegramm:

Der Autor und Regisseur Holger Teschke stammt aus einer alten Rügener Familie. Geboren wurde er 1958. Er lernte Schiffsbetriebsschlosser, fuhr zur See und arbeitete nach dem Regiestudium als Dramaturg und Autor am Berliner Ensemble sowie in Australien, Amerika und Südostasien. Er schreibt u.a. für DeutschlandRadio Kultur und „mare“ und wurde unter anderem mit dem Kritikerpreis der Berliner Zeitung, dem Pablo-Neruda-Preis der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Hörspielpreis  der Stadt Karlsruhe  ausgezeichnet.  Sein Band „Rügen — Jahreszeiten einer Insel“ mit Fotografien von Karsten Bartel erhielt 2005 den Kunstpreis der Kulturstiftung Rügen. Er lebt in Berlin und Massachusetts (USA).Zurzeit inszeniert er auf der Seebühne Hiddensee das Theatermärchen „Der Sturm“ zum 450. Geburtstag von Shakespeare. Premiere: Ostern 2014.

 

Seine „Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee“ ist im Piper Verlag München erschienen, hat 224 Seiten und kostet 14,99 Euro. ISBN: 978-3-492-96340-4

 

 



2 Kommentare