Holger Teschkes neues Buch, erschienen in der Verlagsgruppe Matthes und Seitz, setzt den Hering ins richtige Licht.
Bücher gibt es bekanntlich wie Sand am Meer. Man könnte auch sagen – wie Heringe im Meer. Zur Leipziger Buchmesse und pünktlich zur Heringssaison ist jetzt ein Portrait über diesen Fisch erschienen. Es ist die Nummer 9 aus der Reihe „Naturkunden“ der Berliner Verlagsgesellschaft Matthes & Seitz, geschrieben vom gebürtigen Rüganer Holger Teschke. Ein Buch über Heringe. Ein Sachbuch? Oder doch vielleicht etwas mehr? Holger Vonberg hat das Buch gelesen. Und auch der Autor ist ihm ins Netz gegangen:
Mit dem Hering kennt sich der in Sassnitz aufgewachsene Holger Teschke aus, ist er doch nach der Schule als Sohn eines Fischers und als Maschinist zwei Jahre lang zur See gefahren, um diesem Schwarmfisch auf 26-Meter-Kuttern in der Nordsee nachzustellen. „Ich wollte eigentlich ein Buch über Wale schreiben, aber Judith Schalansky, die Herausgeberin der Reihe Naturkunden, hat gesagt, du warst doch Heringsfänger. Bücher über Wale gibt es genug, schreib doch eins über Heringe.“
Warum nicht, dachte sich Holger Teschke. Vor dem Schreiben hat er sich erst einmal in Archive und Bibliotheken begeben, unter anderem in die des Meeresmuseums Stralsund: „Besonders wichtig waren mir auch die Gespräche mit Experten, die den Hering erforscht haben oder ihn in der Küche verarbeiten.“
In dem kleinen, liebevoll und hochwertig mit Illustrationen und Reproduktionen gestalteten Band taucht Holger Teschke tief ein in die Welt des Herings und ist bei seinen umfangreichen Recherchen auf ganze Schwärme von Geschichten gestoßen, Geschichten über jenen Fisch, der Länder zu Weltmächten machte, der in Märchen und Sagen ebenso auftaucht wie in der bildenden Kunst und Literatur.
Legendär waren einst auch die Uferpredigten des Pfarrers und Romantikers Ludwig Theobul Kosegarten am Kap Arkona, schwärmt Holger Teschke. Vitt sei über viele Generationen einer der wichtigsten Anlande- und Heringshandelsplätze gewesen. „Man muss sich das mal vorstellen: Damals gab es noch Heringsschwärme, die waren sechs Kilometer lang. Wenn sie ins Flachwasser kamen, begann das Meer wie Silber zu leuchten. Da gab es für die Fischer kein Halten mehr. Sie stürmten zu ihren Booten. Und Pfarrer Kosegarten konnte ihnen nur noch seinen Segen hinterherschicken.“
Der Autor beschreibt den Hering als ein Teil der Kulturgeschichte und als einen Individualisten, der seit Jahrhunderten zwar zu Wasser, vom Land und aus der Luft gejagt wird, der aber auch klug genug war, im Schwarm Erfahrungen zu sammeln, so dass ihm ein „welthistorischer Siegeszug“ glückte, wie Teschke mit einem Augenzwinkern philosophiert. Zitat: „Vom Hering lernen, heißt überleben lernen.“
Spannend zu lesen, mit welchen Mitteln der Mensch dem Hering nachstellt, welche Rolle dieser Fisch im englisch-französischen Krieg von 1429 oder bei den Piraten um Klaus Störtebeker spielte und welcher Zauber von ihm noch immer ausgeht, auch als Namens- und Geschmacksgeber für viele Fischgerichte weltweit.
Als der Autor mit der Recherche begann, war es für ihn ein Muss, an jedem Wochenende ein anderes Heringsrezept auszuprobieren. „Mein Lieblingsgericht ist die Schwedische Fischtorte. Wie die zubereitet wird? Das muss man im Buch nachlesen“, sagt er. Holger Teschke bricht in diesem handgroßen und edel gebundenen Buch eine Lanze für den Hering. Der Fisch ist tatsächlich mehr als nur Rollmops und Matjes. Und der Essay – einfach köstlich – nicht nur für Fischköppe. Deshalb hofft er auch, dass viele Leute den kleinen Band mit in den Strandkorb nehmen werden. Das Buch macht den Leser staunen und eine gute Portion schlauer. Und richtigen Appetit auf Hering satt – in allen Variationen.
Text und Fotos / Repro: Holger Vonberg
Das Buch „Heringe“, ein Portrait von Holger Teschke, ist in der Verlagsgesellschaft Matthes & Seitz Berlin erschienen (ISBN 978-3-88221-392-8). Es ist reich illustriert, hat 120 Seiten und kostet 18 Euro.
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