Wittow, Rügens letzte maulwurffreie Zone


Holger Vonberg ist gebürtiger und bekennender Rüganer. Sein Berufswunsch als Zweijähriger: „Urlauber Baabe“. Das hat nicht ganz geklappt. Ab 1991 war er als Journalist u. a. für den NDR, die OZ und den „Urlaubs-Lotsen“ auf der Insel unterwegs. Bis März... mehr

Possierliche Säuger sind auf dem Vormarsch. Sie haben schon drei Viertel der Schaabe geschafft.

Glowe/ Juliusruh. Die Halbinsel Wittow ist nicht nur als Windland, sondern auch als die wohl letzte maulwurffreie Zone des Landes bekannt. Im Nordwesten Rügens gibt es tatsächlich keine Maulwürfe. Doch wie lange noch? Entlang der Schaabe haben schon viele Kraftfahrer die für Kleingärtner besorgniserregend zunehmende Zahl von Maulwurfshügeln entdeckt. Bis zum letzten Parkplatz vor Juliusruh sind Buddelflink und seine Freunde bereits vorgedrungen. Manfred Kutscher aus Sassnitz hat dafür mehrere Erklärungen: „Die Schaabe ist etwa 10 000 Jahre alt und hat jetzt womöglich einen Status erreicht, dass der Maulwurf hier graben kann und Nahrung findet.“

Bis heute ist Wittow von der Maulwurfplage jedoch verschont geblieben. Das haben die Nordrüganer der Legende nach dem Heiligen Georg zu verdanken. Klaus-Peter Lüdtke, der Wieker Pfarrer im Ruhestand, kennt diese Geschichte: „Nach der Christianisierung im Jahre 1168 wurde das Gebiet germanisiert. Neben den hier lebenden Slawen haben sich dann auch Niedersachsen im Hafendorf Wiek niedergelassen. Und diese niedersächsischen Seefahrer verehrten den Heiligen Georg als ihren Schutzpatron.“ Zur Kirchenweihe im Mittelalter habe die Pommernherzögin ihnen dann ein Reiterstandbild, Georg zu Pferde, gestiftet.

Georg, so wird erzählt, wurde einst bei einem Besuch von den Wiekern mit Räucheraal und wohl auch mit hochprozentigen Getränken bewirtet. Dafür gewährte er ihnen einen Wunsch. Und da die Halbinsel damals nur so von Wühlmäusen und Maulwürfen unterwandert war, dass niemand mehr treten konnte, ohne über einen Maulwurfshügel oder Wühlmaushaufen zu stolpern, wurde er gebeten, diese Plage zu beenden, was er dann auch nachhaltig tat.

Und dafür sind ihm die Wittower bis heute dankbar. Selbst im Jahre 1925, als das Pommersche Landesmuseum Georgs Reiterstandbild erwerben wollte, damit Geld zur Kirchensanierung fließen konnte, schüttelten die Wieker die Köpfe. Sie waren sich einig: Solange Georg bleibt, bleiben die Maulwürfe fern. „Und das wird auch in Zukunft so sein“, hofft Klaus-Peter Lüdtke. Schon in seiner Kindheit hätten sich die possierlichen Säuger auf der Schaabe getummelt. „Bis nach Wittow aber haben sie es nie geschafft.“

Die Schaabe ist eine lang gezogene Düne, die durch Küstenabbrüche und angeschwemmten Sand entstanden ist.
Sie verbindet den Inselkern, der früher zum Festland gehörte, mit Wittow. Der Strand ist eine Weißdüne mit ganz lockerem Boden. Dann kommt die Graudüne, die ein bisschen fester ist. Und schließlich gibt es die bewachsene Braundüne, in der die Blaubeere steht, wo die Humusschicht dicker ist und fette Regenwürmer zu finden sind. Dort und neben der Straße, am Radweg und an den vielen Trampelpfaden ist der Boden so verfestigt, dass der Maulwurf buddeln kann, ohne dass seine Gänge immer wieder einstürzen. Das ermutigt den Kleinsäuger, weiter zu machen.

Im März beginnt die Paarungszeit der unter Schutz stehenden Maulwürfe. Auch in diesem Frühjahr heißt es, abzuwarten und den Heiligen Georg vielleicht noch einmal um Hilfe zu bitten. Denn wenn Buddelflink tatsächlich sieben Meter Tunnel pro Stunde schaffen sollte, könnten die maulwurffreien Tage auf Wittow bald gezählt sein.

 

Fotos: Holger Vonberg

 

 

 


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