Von Ferien, Fisch und FKK auf Rügen – Urlaubserinnerungen in schwarzweiß und blassen Farben


Berichte von Einheimischen.

Die alten Fotos von den ersten Ferien auf Rügen… Meist schwarzweiß, denn wie oft hatten die vielen „Michaels“, denen Nina Hagens in ihrem Hiddensee-Song ihre sängerischen Vorhaltungen macht, den Farbfilm wohl nicht vergessen, sondern einfach mal wieder keinen bekommen. Doch auch die seltenen Farbfotos beginnen, einen Gelbstich anzunehmen und zu verblassen. Nicht so die Erinnerungen: Nur allzu gut erinnert sich der eine oder die andere an eine Zeit, in der Reisen ins nichtsozialistische Ausland für normale DDR-Bürger fast völlig unmöglich waren und Urlaubsfahrten in „sozialistische Bruderstaaten“ bestenfalls als glücklicher Zufall durchgingen.

Ein Ferienplatz auf der Ostseeinsel Rügen war wie der sprichwörtliche Fünfer im Tele-Lotto:
Wer wann wohin fahren durfte, entschied nämlich nicht der urlaubsreife Werktätige selbst, sondern die Feriendienste des FDGB und der Betriebe. Und das staatliche „Erholungswesen“ schickte rund ein Drittel aller DDR-Urlauber an die Ostsee, und davon wiederum ein Drittel nach Rügen. So verbrachten 1988 rund 900.000 Werktätige ihren Urlaub auf Rügen. Wohlgemerkt nicht immer Sommer. Dennoch: 13 Tage blieben die Urlauber im Durchschnitt. Zwischen 30 und 310 Mark zahlte man dafür – inklusive An- und Abreise in öffentlichen Verkehrsmitteln, Unterkunft, Vollpension und Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen.

Doch ebenso wie der real existierende Alltag stellte auch der staatlich subventionierte Urlaub die Werktätigen vor Herausforderungen, die noch heute entweder fassungsloses Kopfschütteln oder nostalgisches Schmunzeln auf die Gesichter derer zaubern, die „dabei gewesen“ sind. Es war ja nicht nur die Ungewissheit, ob es in diesem Jahr endlich klappt mit dem Ostseeurlaub. Man fragte sich zuweilen auch, ob der Trabi durchhalten würde bis zum Rügendamm, ob man einen Sitzplatz in der Deutschen Reichsbahn würde ergattern können, wie lange die doch oft sehr begrenzten Vorräte des Konsums am Urlaubsort wohl reichen würden. Schlange stehen beim Bäcker in Glowe, Schlange stehen am Büffet in FDGB-Ferienheim in Binz… Und selbst beim Fischer in Gager war der Andrang oft groß. Das Fischkombinat Sassnitz verarbeitete zwar bis zu 66.000 Tonnen Fisch im Jahr und wurde 1985 zum Leitbetrieb von 27 See- und Küstenfischergenossenschaften, im hiesigen Handel landete davon  – zumindest gefühlt – fast gar nichts.

Aber sich davon die Ferien vermiesen lassen? Nie im Leben! Man hatte doch – fast wie heute – die herrlichen Landschaften, die idyllischen Dörfer, die weiten Strände, Luftmatratze, Volleyball, Windschutz und einen Ferienplatz auf Rügen! Und als besten Beweis und schönstes Souvenir brachten viele Sommerurlauber eine nahtlose Ostseebräune mit nach Hause. Das Nacktbaden und Strandleben „ohne“ gehörten für viele Besucher an der Ostsee einfach dazu. Im Nachhinein wurde die Freikörperkultur in der DDR gern als „kleine Freiheit“, als Protest gegen die zahlreichen Einschränkungen des täglichen Lebens interpretiert. Tatsächlich hatte es die DDR-Regierung in den 1950-er Jahren nicht geschafft, das Nacktbaden zu verbieten. Spätestens in den 1970-er Jahren wurden FKK-Strände an der Ostseeküste der DDR zu Selbstverständlichkeiten; kaum ein Strand, an dem es keinen FKK-Abschnitt gab. Nach der Wende wurden die ausgewiesenen FKK-Badestellen auf Rügen wie auch anderswo in der ehemaligen DDR immer kleiner. Ganz verdrängen ließen sich die Nackedeis aber nie. Mittlerweile scheinen Nacktbader und Bademoden-Fans immer besser miteinander auszukommen: Neben ausgewiesenen FKK- und Textilstränden gibt es auch Strandabschnitte, an denen sich unter die nackten auch bekleidete Ostsee-Urlauber mischen.

So alt die blassen Fotos wirken mögen, so lebendig ist die Erinnerung an einmalige Ferien an langen, feinen Sandstränden, inmitten friedlicher Natur und unter unzähligen Gleichgesinnten. Und vielleicht ist es ja auch an der Zeit, sich zu einem neuen Urlaub an altbekannten Lieblingsorten inspirieren zu lassen?

 

Foto: Heimat-Bild-Verlag OHG


Kommentare sind geschlossen.