Das Schiff hatte keine Chance: Mit zerfetzten Segeln trieb es von Mönchgut bis hoch zum Kap Arkona. Dort, einen Steinwurf weit vom Ufer, riss ihm eine mörderische Sandbank den Leib auf.
Das Kriegsschiff der Russen, das an diesem frühen Oktobertag 1805 vorm Kap versank, blieb nicht das einzige.
Die Ostsee ist ein einziger Schiffsfriedhof: Weit über 3.000 Wracks werden allein an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns vermutet, an die 200 davon liegen vor Rügen. Die Archive sind voll von so genannten „Verklarungsakten“. Sie beschreiben die Schiffsuntergänge seit einem halben Jahrtausend, meist mit Datum, Ort des Untergangs und Opfern oder Verlusten. Unterwasserarchäologen vom Museum in Stralsund oder vom Landesverband für Unterwasserarchäologie suchen nach den Überresten von Booten und Großseglern bis zu modernen Motorschiffen. Manchmal sind auch Flugzeuge dabei, wie jene JU 87 aus dem II. Weltkrieg, die weiterhin vor Sassnitz geborgen wird.
Geschickt schlüpft der Forschungstaucher in seinen Neoprenanzug. Einige Momente später plumpst er in die See. Der Weg ist nicht weit – gerade zehn Meter im Lot. Andererseits zieht ihn der Bleigürtel die Jahrhunderte hinab. Im Jahr 1805 fasst er Grund. Viel ist zuerst nicht zu erkennen: Ein langer, dunkler Balken. Daneben weitere, einige ragen wie eingerammt aus dem Schlick. Das ist das Spantensekelett. Der Sand hat den größten Teil des Rumpfes verdeckt, die Dünung die losen Teile zerstreut. Noch fünfzig Meter entfernt liegen Tabakspfeifen aus weißem Ton und grüner Glasbruch zuhauf.
Dann die Kanonen, es sind sieben Stück. Fein säuberlich gestapelt, dort, wo einmal die Außenwand des gut 20 Meter langen Schiffes war. Jede ihrer verrosteten Kugeln wiegt 15 Kilo. Uniformknöpfe, ein Dolch mit kyrillischen Buchstaben, Säbelklingen und Teile von Handfeuerwaffen, die man hier fand, liegen längst im Stralsunder Marinemuseum.
Ein Goldschatz ist nicht dabei.
Die Schiffe hatten meist Gewürze oder Holz geladen. Truhen voller Diamanten, Diademe um gebleichte Schädel, das sind nur Phantasien. Nicht mal ein Silberbarren wurde bislang geborgen. Ein aufregend glänzender Klumpen stellt sich zumeist als Kartätschenblei heraus. Und auch von blank gescheuerten Kupfernägeln lässt sich kein Forschungstaucher mehr blenden.
Andere schon. Immer wieder kriegen es die Unterwasserarchäologen mit Raubgräbern zu tun. Immer wieder auch fehlen Branntweinflaschen, Kanonenkugeln und andere Artefakte. Dabei sind diese Bodendenkmäler eigentlich unantastbar. Darum auch halten die Wissenschaftler die genauen Daten der Wracks unter Verschluss. Nur einige wenige sind für die Öffentlichkeit zugänglich – sprich: betauchbar.
Das russische Schiff vor Arkona gehört seit Jahren dazu. Kaum anzunehmen, dass dort noch ein Schatz entdeckt wird. Auch keine Kloschüssel wie jene des Kreuzers „Undine“. Der Lokus des vor gut einem Jahrhundert 28 Seemeilen vor Rügen gesunkenen Schiffes stellte sich als Sensationsfund heraus. Auf ihm nämlich soll seinerzeit Kaiser Wilhelm II. gesessen haben. Ein Zusammenhang mit dem späteren Untergang des Kreuzers wird aber nicht vermutet.
Text: Maik Brandenburg Foto Thomas Förster REPRO rügendruck GmbH
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